Versus Isidori. 153
Derselben Ansicht scheint der letzte Herausgeber, Riese, zu sein.
Er hat zwar, wie es schon Piper, Zeitschrift für Kirchengeschichte I
(1877) 262, getan hat, Arevalos Irrtum bei dem ersten und zweiten
Tituli korrigiert, aber er meint, einige Tituli seien offenbar auf Buch-
exemplare zu beziehen (z.B. II, V, VII, XI, XIV, XVI, vielleicht XIII)
und vielleicht seien einige Tituli, wo der Autor in der ersten Person
von sich redet, „zu diesen die HSS schmückenden Gedichte zu zählen“
(z.B. IN, IV, schwerlich VIII), während die anderen „ganz die Art freier
Gelegenheitsdichtungen, ohne bibliothekarische Beziehungen haben“
(z. B.VI, IX, XII und besonders X). Ferner sei XIX eine Inschrift für
eine Salbenkapsel und XXV Verse auf einem Tintenfaß. Von XXVI
und XXVI sagt er „wie die folgenden rohen Auslassungen das Pro-
dukt ungebildeter Schreiber sind“.!)
Obgleich die Ansicht eines Mannes wie Riese, der auf dem Ge-
biet der lateinischen Anthologie vollkommen zu Hause ist, die höchste
Achtung verdient, glaube ich doch, daß er sich hier geirrt hat.? Man
muß an der Überlieferung festhalten; nach dem Katalog der Lorscher
HSS wurden die Verse „in armaria sua“ geschrieben und dies findet
seine Bestätigung durch den Inhalt einiger Tituli, wie Piper (a. a. O.
S. 261) gezeigt hat.
In XII (Historias ... condita membranis ... arca gerit) ist die
Rede nicht von einer HS, sondern von dem Schranke, der die HSS
enthált; conditur (XIV 1) ist auch so zu nehmen; enitet hic titulis
(V 2) paßt besser auf einen Schrank, aber es kann wie bibliotheca
(VII 3) sich ganz allgemein auf die Bibliothek beziehen. Von den
anderen können einige vielleicht auf HSS bezogen werden, -z. B. si
Augustinus adest (VI 6), perlege carmen Aviti; ecce luvencus adest
(X 5, 6), aber sie passen gerade so gut auf die Schränke. /lle Origenis
ego (Ill 1) ist am leichtesten erklárlich, wenn man ein Porträtbild oder
eine Büste hinzudenkt (vgl. Martial IX 1, 5—9 Ille ego sum usw., WO
die Verse als Inschrift für ein Bild Martials, das sein Freund Avitus
in seiner Bibliothek aufgestellt hatte, dienen sollten). Dasselbe gilt
1) Die Ungleichheit des Stiles der verschiedenen Tituli ist Pascal (a. a. O. S. 48)
aufgefallen — einige sind von ,incredibile barbarie“ — und durch die Annahme
verschiedener Autorschaft erklárt; sie sind vielmehr durch das Flickverfahren des
nicht besonders dichterisch begabten Bischofs zu erklären.
2) Weyman ist auch nicht durch Rieses Einwendungen gegen die Zusammen-
gehörigkeit und Einheitlichkeit der Bibliothekstituli überzeugt (s. S. 62 Anm. 2). Mit
Recht nimmt er Stellung (S. 66) gegen Riese, der den XII. Titulus zu den der „bi-
bliothekarischen Beziehungen ermangelnden“ Gedichten rechnet.