Südbraſilien: Die Bevölkerung. 205
Beſiedelung im größeren Maßſtabe erſt im 18. Jahrhundert begonnen wurde. Zwei Elemente
haben bei der Beſiedelung das Beſte getan: im Norden die Pauliſtaner, im Süden die
Jeſuiten aus dem La Plata-Gebiete. Ihr Vorgehen war aber durchaus verſchieden, indem
die erſteren die Indianer ausrotteten, die letzteren ſie anſiedelten. So konnten denn auch
Zuſammenſtöße zwiſchen beiden Gruppen nicht ausbleiben, und die erſten Anſiedelungen der
Jeſuiten am mittleren Paranä mußten infolge der Angriffe der Pauliſtaner ſchon 1630 nach
dem unteren Parana ins Gebiet der jetzigen Miſiones und an den oberen Uruguay verlegt
werden. Erſt fünfzig Jahre ſpäter begann die Gründung von Ortſchaften an der Küſte durch
Kaufleute, Miſſionare und Anſiedler aus Säo Paulo, nämlich von Porto Alegre und Rio
Graude do Sul 1743 und 1747. Der Jaguaräo, der auch jetzt die Grenze gegen Uruguay
bildet, wurde ſchon damals als Grenze zwiſchen ſpaniſchem und portugieſiſchem Volkstum
beſtimmt. Die in Südbraſilien wohnenden Romanen waren alſo im weſentlichen portu—
gieſiſcher Abkunſt, ſogenannte luſitaniſche oder Luſ obraſilier.
Ihnen gegenüber ſtehen die im letzten halben Jahrhundert in Südbraſilien eingeſtröm—
ten nichtportugieſiſchen Europäer, die erſt nach Aufhebung der portugieſiſchen Herr—
ſchaft über das Land zugelaſſen wurden. Im Jahre 1824 wanderten die erſten Deutſchen
No Grande ein und gruudeten dort die Kolonie Säo Leopoldo auf dem Randgebirge;
dann ſtockte die Einwanderung ein Vierteljahrhundert und wurde erſt 1849 fortgeſetzt, be—
ſonders bis zum Jahre 1889. Das Verbot der Auswanderung nach Braſilien durch das
bon der Heydtſche Reſkript für Preußen legte die Beſiedelung durch Deutſche jedoch für
längere Zeit lahm, und an ihrer Stelle erſchienen die Italiener, die nun von der braſiliſchen
Regierung ſeit 1874 in Staatskolonien angeſiedelt wurden, und zwar ebenfalls in den Wäl⸗
dern des Randgebirges, wo ſie an Zahl die Deutſchen bereits übertreffen. Ebenſo haben die
Polen, meiſt Leute aus Galizien und Ruſſiſch-Polen, im weſentlichen die Randgebirge in
Parana inne. Man kann auf Südbraſilien 100000 Polen, 400000 Deutſche (mit Nach—
kommen) und gegen 800000 Italiener rechnen. Nach Landſchaften teilt ſich die Bevölkerung
räumlich inſofern, als die Luſobraſilier die Grasfluren ſowohl im Tieflande von Rio Grande
wie auch auf dem Hochlande bevorzugen, während die fremden Koloniſten, Deutſche, Polen,
Italiener und andere, in den Waldgebieten der Serra Geral wohnen. Die Miſchlinge ziehen
das Hochland vor, die wenigen Neger das warme Küſtenland.
Eine ähnliche Scheidung zeigen auch die wirtſch aftlichen Verhältniſſe. Die Kolo—
niſten der Serra treiben vorwiegend Ackerbau, die Luſobraſilier und Miſchlinge der Campos
Viehzucht. Von Norden nach Süden nimmt die Viehzucht zu, der Ackerbau ab. In Parana
beginnt der Wert der Ackerbauprodukte infolge Mangels an Kaffeepflanzungen bereits ſtark
zu ſinken, indeſſen werden Baumwolle, Zucker und Getreide ſowie die Ramieépflanze an—
gebaut; mehr hervor tritt die Viehzucht, da Maultiere gezüchtet werden und Rinderherden
allgemein ſind. Der wichtigſte Wirtſchaftszweig Paranäs iſt aber das Sammeln, Trocknen
und Ausführen des Herva⸗Mate, von dem 1905: 27,8 Millionen Kilogramm ausgeführt
wurden. In Santa Catharina führen die Koloniſten der Küſte Schmalz, Butter, Honig
als Erzeugniſſe der Viehzucht aus, und auch Herva-Mate kommt noch von dort. Der Acker—
bau richtet ſich auf Maniok, Bohnen, Mais, Reis, Zuckerrohr, Arrowroot und Früchte, auch
ſchon auf die Weinrebe; ausgeführt wird Maniokmehl. Im Inneren ernähren die Campos
beträchtliche Herden. In Rio Grande überwiegt bereits die Viehzucht den Ackerbau.
Im nördlichen gebirgigen Teil des Staates werden die für Santa Catharina genannten