370 Das gefaltete Land des Weſtens.
Die öſtlicheren tieferen Täler und die Montafa. Erſt in den nach dem Oſt—
abhange hinabführenden Tälern wird die Tierwelt reicher an Formen und Farben, in den
tieferen Regionen ſogar ungeheuer mannigfaltig und maſſenhaft. In den Tälern leben
in 2000 m Höhe bereits Papageien in größerer Menge, vornehmlich der kleine Sperlings—
papagei Periquito, aber auch andere Vögel, namentlich Tauben. Überhaupt ſtellen ſich nach
und nach alle tropiſchen Tiere des Amazonasgebietes (vgl. S. 144) ein.
6) Die Bevölkerung.
Allgemeines. Als die Spanier 1535 Peru eroberten, fanden ſie das Land unter
der Königsfamilie der Inkas geeinigt. Bei näherer Unterſuchung ſtellte ſich jedoch heraus,
daß in dieſem Reiche eine Menge Stämme vereinigt waren, die durch Kultur und Sprache
voneinander abwichen. Leider hat der Fanatismus der ſpaniſchen Geiſtlichkeit dieſe ver—
ſchiedenen Kulturen ſo gut wie ganz vernichtet, ſo daß wir bei dem Mangel jeder ſchriftlichen
Uberlieferung der Indianer ſelbſt einerſeits auf die nicht ſehr reichlichen Beſchreibungen
ſpaniſcher Schriftſteller, anderſeits auf die in Schuttanhäufungen (Huäcas) verwandelten
alten Bauten ſowie auf Grabfunde angewieſen ſind, wenn wir uns ein Bild von den Eigen—
ſchaften und Gewohnheiten der alten Bewohner Perüs machen wollen.
Immerhin erkannten ſchon die Spanier einen Gegenſatz zwiſchen den Völkern
der Sierra und denen der Küſte, und dieſer Gegenſatz iſt bei der wiſſenſchaftlichen
Durchforſchung der vorhandenen Kulturreſte immer ſchärfer hervorgetreten. Bedauerlicher—
weiſe beſitzen wir über die Küſtenvölker faſt gar keine literariſchen Aufzeichnungen, dafür
aber um ſo mehr Gegenſtände ihrer Kultur; beiſpielsweiſe ſtammen in der für Peru beſonders
wichtigen Keramik etwa drei Viertel aller Funde von der Küſte, nur ein Viertel aus der
Sierra. Umgekehrt beziehen ſich die von den Spaniern gemachten Beſchreibungen der Kultur
der alten Peruaner faſt nur auf das herrſchende Volk in der Sierra, auf die Ketſchua, ohne
daß dieſe Überlieferungen durch ausgiebige, über ihr Leben Zeugnis ablegende Funde ge—
nügend geſtützt würden. Unſere Kenntnis von den alten Bewohnern Perus iſt daher recht
lückenhaft, und der Erforſchung der inneren Zuſammenhänge der vorliegenden Tatſachen
ſtehen große Schwierigkeiten entgegen. Was wir heute wiſſen, iſt ungefähr folgendes:
Die Indianerſtämme der Sierra und des Küſtenlandes ſcheinen aus Mittelamerika ein—
gewandert zu ſein, vielleicht zu Lande, vielleicht zur See, oder auf beiden Wegen. Urſprüng—
lich befanden ſie ſich wahrſcheinlich auf einer ſehr primitiven Kulturſtufe, etwa wie heute noch
die Feuerländer. Dafür ſprechen die Grabfunde Max Uhles bei Supe nördlich von Lima und
an anderen Orten, wo eine Fiſcherbevölkerung in rohen Siedelungen ſaß. Sie hinterließ
Muſchelhügel (Kjökkenmöddinger), beſtattete ihre Toten in Matten und liegend und ſcheint
auch Anthropophagie getrieben zu haben. Ihre Gewebetechnik und ihre Keramik, rohe weiß
bemalte, nur mit eingeritzten Figuren bedeckte Gefäße aus Ton, waren ſehr einfach; dagegen
war ihre Netz⸗ und Korbtechnik, entſprechend ihrem Berufe als Fiſcher, ſtark entwickelt, aber
ganz verſchieden von der der Sierra. Etwas höher ſtehen die Gefäße von Chancah bei Lima,
die weiß gemalte Ringe und Linien zeigen. Darüber erheben ſich die beſonders im ſüdlichen
Küſtengebiet bei Jea und Nazca gefundenen Tonwaren, mit weißroter und ſchwarzweißroter
Bemalung. Dieſe Kultur hat auch bereits Einfluß auf die der roheren Küſtenſtämme gehabt.
Im nördlichen Küſtengebiet entwickelte ſich die höhere Kultur der durch ihre Tempelbauten
bekannten Chimil, und in das Ganze greift von Süden her der Stil von Tiahuanaco (vgl. S. 341)