Full text: Amerika einst und jetzt

  
  
  
366 Die Vereinigten Staaten von Nordamerika. 
Aber auch Napoleon wußte mit dem überſeeiſchen Louiſiana nichts zu be— 
ginnen. Er hatte weder von der wahren Größe, noch von der Bedeutung dieſes 
fernen Beſitzes eine rechte Vorſtellung, und für ſeine weitausſchauenden Pläne 
in Europa erſchienen ihm dieſe Länder jenſeits des Ozeans nur wie ein Hemmſchuh, 
da ſie nichts einbrachten, ſondern nur Geld koſteten. Anderſeits aber mochte er auch 
wohl mit Recht fürchten, daß er ſie gegen die zur See ſo übermächtigen Engländer 
auf die Dauer doch nicht würde halten können. Er hatte daher kein Bedenken, 
das geſamte Louiſiana 1803 der augenſcheinlich kräftig aufſtrebenden jungen ameri— 
kaniſchen Republik zum Kauf anzubieten. Da die Amerikaner an Ort und Stelle 
in der Lage waren, das herrliche Miſſiſſippital nach ſeinem wahren Werte zu ſchätzen 
und die unberechenbar günſtigen Folgen dieſes Angebotes zu beurteilen, ſo beſannen 
ſie ſich nicht lange, ſondern griffen zu, und man wurde über den Kaufpreis von 
15 Millionen Dollars handelseinig, eine Summe, die heutzutage manche ameri— 
kaniſche Stadt an jährlichen Steuern zahlt. 
So gewann die Union einen neuen Landzuwachs von einem Umfange, der 
das ganze Frankreich um mehr als das Doppelte überragte. Es möge hier noch 
kurz erwähnt ſein, daß dieſes Geſamt-Louiſiana in dem kurzen Zeitraum von 
ſechzig Jahren derart bevölkert wurde, daß daraus die ſelbſtändigen Staaten: 
ouiſlana MiſippeAbama Mioue rtanſos, 
Jo wa (zum größten Teil) Kanſas, Nebraska, Idaho und Wyo— 
ming, dielbeiden letzteren wenigſtens zum größten Teil, hervorgingen und als 
beſondere Glieder in die Union aufgenommen werden konnten. 
Dazu traten dann inzwiſchen noch von anderer Seite: Maine 1820 im 
äußerſten Nordoſten Minneſota 18858 im Norden und die weſtlichen Graf— 
ſchaften von Virginien, die als Weſtvirginien 1862 zu einem beſonderen 
Staate erhoben wurden. 
Vom Miſſiſſippi zum Großen Ozean. 
Der Kauf des ungeheuren Gebietes von Louiſiana war zwar ſchon 1803 
endgültig abgeſchloſſen worden, aber erſt im Frühling des folgenden Jahres ließ 
die amtliche Vorſicht des hohen Beamten, der die Ländereien für ſeinen europä— 
iſchen Herrn bisher verwaltet hatte, den Eintritt des neuen Eigentümers zu. Kaum 
aber, ſo verſichert ein amerikaniſcher Zeitgenoſſe, daß jede Form der Übergabe 
erfüllt und die neue Regierung anerkannt war, als auch Schwärme des raſtloſen 
Volkes, das immer an den Grenzen des kultivierten Amerika lagerte, mit demſelben 
ſorgloſen Mute in die Dickichte am weſtlichen Ufer des MWiſſiſſippi ſtürzten, der 
ſchon ſo manchen unter ihnen auf ihrem mühſeligen Vordringen von den atlan— 
tiſchen Staaten nach dem öſtlichen Ufer des „Vaters der Ströme“ begleitet hatte. 
Es war das buchſtäblich eine neue Auswanderung, ein neues plötzliches Vor— 
dringen eines Volkes, welches bis dahin an dem gewaltigen Miſſiſſippi nur einen 
gewiſſermaßen augenblicklichen Widerſtand gefunden hatte, nachdem es durch ſeine 
ununterbrochenen Fortſchritte ſchon faſt unwiderſtehlich geworden war. Sorgen 
  
  
  
  
  
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