Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten. 467
gefunden, die Urwaldbäume zu fällen, die noch zwiſchen den Holzhütten (Shanties)
in den zukünftigen Straßen ſtanden. Und zwei Jahrzehnte ſpäter ſchon war Bir—
mingham der mit allen modernen Einrichtungen ausgeſtattete Mittelpunkt einer
der wichtigſten Kohlen- und Erzdiſtrikte der Union.
Die Wohnung der Städter.
Die Bevölkerung der Städte ſetzt ſich im weſentlichen zuſammen aus Arbeit—
gebern und Arbeitnehmern. Erſtere bilden die reiche und vornehme Welt.
Viele der reichen Leute führen überhaupt kein eigenes Hausweſen, ſondern
leben jahraus jahrein in ſogenannten Familienhotels. Andere beſitzen archi—
tektoniſch hübſch ausgeſtattete, größere Einfamilienhäuſer, die häufig den Villen
ähneln, wie man ſie in der Umgegend der größeren Städte Europas ſieht. Die
Wohnungen der hohen Geldariſtokratie, „Mansions“ genannt, ſind wahrhaft
fürſtlich eingerichtete Paläſte. Gemälde der beſten Meiſter, für Unſummen er—
worben, zieren die Wände; ſchwere Teppiche, mit Gold und Elfenbein ausgelegte
Möbel füllen die Räume; ja der Luxus wird ſoweit getrieben, daß man ſogar die
Wände der Stallungen mit Roſen- und Walnußholz täfelt. Dieſe Privatpaläſte
und die öffentlichen Gebäude ſind zwar ſehr luxuriös aufgeführt, aber etwas
wirklich Monumentales und architektoniſch Schönes bieten ſie nur ſelten. Der
Yankee hat im allgemeinen ſehr wenig Verſtändnis für die ſchönen Künſte, daher
finden wir häufig an den Paläſten ein eigentümliches Gemiſch verſchiedener Stil—
arten, aber nach künſtleriſch geſchmackvollen Bauten kann man oft lange ver—
gebens ſich umſehen.
Der Arbeiter wohnt entweder abgetrennt von andern für ſich allein in einem
Einfamilienhaus oder mit andern Familien in meiſtens ſchmutzigen Mietskaſernen,
Tenementhouses genannt. Das Einfamilienhaus, ebenerdig, aus Stein oder Holz
aufgeführt, iſt entweder Eigentum des Arbeiters oder er hat es gepachtet. Es
iſt ſowohl äußerlich als auch innerlich ſtets muſterhaft ſauber gehalten und praktiſch
und bequem möbliert. Im Sprech- oder Beſuchszimmer, dem ſogenannten
„Parlor“, fehlt ſelten ein Pianino, und ein Büchergeſtell enthält eine kleine
Hausbibliothek. Ein ſolches Haus beſitzt oder mietet ſich aber nur der beſſere,
ſolidere Arbeiter.
Die große Maſſe dieſer Klaſſe der Bevölkerung lebt in kaſernenartigen Tene—
menthäuſern. Dieſe Maſſenquartiere ſind gewöhnlich große Gebäude mit mehreren
Stockwerken, meiſt recht ſchmutzig, mit Menſchenüberfüllt, ungeſund und in phyſiſcher
und moraliſcher Beziehung für die Bewohner nicht unbedenklich. In den Lodging—
häuſern, die gleichfalls eine nicht beſonders ſaubere Unterkunft bieten, bezahlt
der Arbeiter täglich für das Ubernachten. In den Boardinghäuſern wohnen ge—
wöhnlich unverheiratete Leute, die dort gegen wöchentliche Bezahlung von vier
bis ſechs Dollar ihr gemeinſchaftliches Zimmer mit einem oder ein paar Genoſſen
finden, ein verhältnismäßig ſauberes Bett und die ganze Verpflegung erhalten.
Dieſe letzteren Wohnſtätten ſind gewöhnlich beſſer eingerichtet. Sie haben ihren
Sprechſaal, in welchem Zeitungen und eine kleine Bibliothek zur Verfügung
ſtehen; an den Sprechſaal ſchließt ſich dann ein mehr oder minder großer Speiſeſaal.
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