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IV. Geburt und Erziehung.
Bei der Geburt eines Kindes macht der Tumleo nicht viel Aufhebens. Es scheint
fast, dass die Leute eine gewisse Scheu davor haben, solche Familienangelegenheiten in
die Öffentlichkeit zu bringen. Es ist mir schon vorgekommen, dass ich erst nach Monaten
erfuhr, dass einem guten Bekannten der Mission ein Kind beschert worden war,
trotzdem ich vielleicht Dutzende Male am Hause des Betreffenden war. Der Vater hatte
nie auch das Geringste von seinem jüngsten Sprösslinge vermerken lassen. Die ersten
5—8 Tage nach der ersten Niederkunft verbringt die Mutter mit dem Neugebornen in
einem armseligen Häuschen, welches bald bei ihrer Wohnung, bald im Walde, aber
immer in der Nähe der See liegt. Die Frau darf in dieser Zeit keinen Mann sehen,
selbst nicht den eigenen Gatten. Wir wissen noch nicht recht, welche Vorstellung
bei dieser Sache im Spiele ist. Die Männer selbst fürchten sich davor, eine solche Frau
zu sehen, sie glauben, dass, wenn solches geschähe, ihr Körper aufschwellen würde und
sie sterben müssten. Sind die 5—8 Tage um, so begibt sich die Mutter nach Hause. Sie
bleibt aber in den ersten drei Monaten fast immer drinnen und kommt selten ans
Tageslicht. Nach Beendigung dieser Zeit tritt der junge Weltbürger seine öffentliche
Laufbahn an. Bei einer zweiten oder weiteren Geburt braucht die Mutter nicht mehr in
das obenerwähnte Häuschen zu gehen, auch ist der Aufenthalt im Hause dann kürzer
bemessen. Vielfach bringt die Mutter diese Zeit dann bei den Verwandten zu. Auffallend
ist es, dass Eingeborne, besonders Frauen oder Mädchen, die sich wegen eines religiösen
Gebrauches oft längere Zeit im Innern des Hauses aufhalten müssen und während dessen
nicht den versengenden Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, eine viel lichtere Haut bekommen,
als sie früher hatten. Sobald sie jedoch wieder ans Tageslicht kommen, wird die Haut-
farbe wieder dunkel wie zuvor.
Die Tumleo-Frau nährt ihr Kind viel länger, als dies bei uns in Europa der Fall
ist, die Kleinen werden erst mit dem dritten oder vierten Jahre ganz entwöhnt. Daneben
aber bekommen sie auch bereits frühzeitig andere Nahrung, schon in den ersten Monaten
lernen sie das Fleisch der Coeosnuss, die sogenannte Kopra, Kartoffeln, Sago und Fische
essen. Das Kind braucht bloß eine oder die andere Woche alt zu sein, dann fängt die
besorgte Mutter schon an, es mit der Nutzbarkeit dieser Dinge bekannt zu machen.
Wiegen, Bettehen und Kinderkleider sind für den kleinen Tumleo ein überflüssiger
Luxus. Bis das Kind laufen kann, trägt die Mutter es meist in einer breiten Binde, die
sie nach Art einer Schärpe angelegt hat, auf der Seite. Wenn das Kind einmal sich
selbst fortbewegen kann, dann bildet der Ufersand oder die gute Mutter Erde sein Bettchen.
Das Wasser macht den kleinen Tumleo nicht so oft Grausen als den Kindern in Europa.
Wenn die Tumleo-Frau jeden Tag einmal ihren kleinen Liebling in der See badet,
so meint sie schon übergenug gethan zu haben. Meistens sind solche Reinigungen von
einem lauten Kindereoneert begleitet, just wie in der lieben Heimat drüben.
Auffallend ist, dass es hier so selten vorkommt, dass die Mutter ihr erstes Kind
behält. Fast immer stirbt dasselbe, und wenn man einmal glaubt, diese oder jene Frau
mache eine Ausnahme, so hört man nachher, dass sie schon früher ein Kind durch den
Tod verloren habe. In dem Augenblicke, wo ich diese Zeilen schreibe, kann ich ohne
weiteres Nachdenken vier junge Frauen aufzählen, die in den benachbarten Dörfern
Anopäs mit etwa 35 und Einamül mit etwa 80 Einwohnern ihre ersten Kinder
verloren und das während der letzten 11—12 Monate. Ob das damit zusammenhängt,
dass die Mutter das elende Häuschen, von dem ich oben sprach, beziehen und sich auch
nachher so abgeschlossen halten muss? Das ist wohl nicht der einzige Grund,
aber vielleicht doch einer von den Gründen, die diese Thatsache erklären. In den