Entdeckungsgeſchichte. 51
weggehen. Gleichwohl reichte er mir noch immer die Hand in Freundſchaft.
Wir ergriffen ſie, aber während wir ſie hielten, hatte er eine Schlange in der andern.
Seine Zunge war geſpalten; er log und ſtach uns. Ich verlangte nur ein kleines
Stück von dieſen Ländereien, gerade genug, um es zu bebauen und darauf zu
wohnen, fern im Süden — einen Ort, wo ich die Aſche meiner Verwandten nieder—
legen könnte; aber ſelbſt dieſes iſt mir nicht geſtattet worden. — Ich fühle
die Siſen inmeinem Herzen—
Das iſt das Los des Indianers. Aus ſeinem Beſitz vertrieben, geknechtet
und unbarmherzig ausgerottet, heimatlos und vogelfrei, allen Unbilden und Ge—
walttätigkeiten preisgegeben, hierdurch auch geiſtig herabgekommen und allen
Laſtern anheimgefallen, in denen übrigens gleichfalls die Weißen ſeine Meiſter
waren — iſt es kein Wunder, wenn er einem langſamen, aber ſicheren Tode ent—
gegeneilt.
E
Entdeckungsgeſchichte.
Die Zeit vor Kolumbus.
Dunkle Spuren.
Im vorſtehenden Abſchnitt wurde ſchon die Frage einer möglichen Ein—
wanderung aſiatiſcher Völker nach Amerika berührt, eine Völkerwanderung, die
nur in grauer Vorzeit ſtattgefunden haben könnte. Natürlich fehlt dazu jeder be—
ſtimmte Anhalt, aber die Moͤglichkeit könnte immerhin zugegeben werden.
Ein Blick auf die Karte der um das nördliche Eismeer gelagerten Länder—
maſſen zeigt uns eine nach Klima und Lebensbedingungen gleichmäßige Be—
ſchaffenheit. Ihr gemeinſamer Zug iſt zunächſt die ſtarke Kälte, welche in der
Nachbarſchaft des Poles den weitaus größten Teil des Jahres über herrſcht. Dieſe
Kälte hat aber das eine Gute, daß ſie den Verkehr ungemein erleichtert: der mit
dem zahmen Renntier oder mit Eskimohunden beſpannte Schlitten iſt ein aus—
gezeichnetes Transportmittel auf den weiten Schnee- und Eisfeldern der Polar—
gegenden, wie denn auch ſämtliche Polarforſcher ſich dieſes Hilfsmittels zu be—
dienen pflegen. Lagen nun die Bedingungen einer Völkerwanderung aus Nord—
aſien nach Nordamerika vor, ſo war ſicher die Beringſtraße kein Hindernis, vor
dem der Völkerſtrom Halt zu machen brauchte. Im Gegenteil: wie G. Demolies
in ſeiner feinſinnigen Unterſuchung über die großen Völkerſtraßen der Erde aus—
führt, war dieſer Einſchnitt zwiſchen Aſien und Amerika eher eine Brücke als ein
Hindernis. Während des Winters, alſo rund acht Monate lang, iſt die Bering—
ſtraße von einer dicken Eisrinde bedeckt, welche ſie faſt ohne Hindernis dem Verkehr
freigibt. Eine Eisbrücke verbindet alsdann das aſiatiſche Sibirien mit dem ameri—
kaniſchen Alaska. Außerdem iſt die Breite dieſer Meerenge verhältnismäßig ge—
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