Drittes Kapitel.
Der Ralender der Juden.
Über den urſprünglichen Kalender der Juden wiſſen wir
ſehr wenig, nur ſo viel ſieht unzweifelhaft feſt, daß fie nach
Mondmonaten rechneten, deren Tage ſie vom erſten Sichtbar—
werden der Mondſichel ab zählten. Jedenfalls beſtanden ganz
beſtimmte geſetzliche Vorſchriften darüber, wohin ſich derjenige
oder diejenigen, die die ſchmale Mondſichel zuerſt nach dem
Neumond wieder am Abendhimmel bemerkten, zu wenden hatten,
um ihre Beobachtung zu bezeugen und allgemein bekannt werden
zu laſſen. Es wird zwar geſagt, daß man imſtande war, den
Abend des Sichtbarwerdens der Mondſichel vorauszuberechnen,
aber man ſah es doch gern, wenn die Berechnung durch die
Beobachtungen zweier einwandfreier Zeugen beſtätigt wurde,
worauf man das Ereignis durch Feuerſignale dem ganzen
Lande bekannt machte. Schon allein dieſe Vorſchriften und
Gebräuche deuten auf das Fehlen einer feſten, allgemein be—
kannten und angewandten Kalenderrechnung hin und ſo ſcheint
auch keine beſtimmte Regel für den Ausgleich zwiſchen den
Mondmonaten und dem Sonnenlauf vorhanden geweſen zu ſein,
ſondern man verfuhr beim Einſchalten eines Mondmonats, um
Mond- und Sonnenrechnung wieder in möglichſt nahe UÜber⸗
einſtimmung mit der Wirklichkeit zu bringen, ziemlich willkürlich.
Endlich war auch die Zählung der Jahre keine einheitliche,
ſondern vielfachem Wechſel unterworfen, indem man — nach—
dem man die Zählung nach Geſchlechtern und Menſchenaltern
verlaſſen hatte — von dem Eintktritt einzelner für das Volks—
und Staatsleben wichtiger Ereigniſſe ab die Jahre zählte. Solche
Ereigniſſe waren der Auszug der Juden aus Agypten, die
Erbauung des Salomoniſchen Tempels, die erſte Zerſtörung
des Tempels, die Babyloniſche Gefangenſchaft u. dgl. m. Auch
nach einer Ära der Makkabäer haben die Juden eine kurze
Zeit gerechnet. Sehr lange dagegen war bei den Juden die
zeitweiſe in ganz Vorderaſien verbreitete ſeleukidiſche Ara
im Gebrauch, die an den Sieg des Seleukos Nikaior über