Full text: Über seine zweite Schingú-Expedition

  
314 Dr. C. von den Steinen: 
möglich mit zur Beseitigung der Hindernisse. Von meinem Vetter 
und mir darf ich sagen, dafs wir als Maultiertreiber, Holzhacker und 
Ruderknechte in der heifsen Sonne der Trockenzeit einen harten Dienst 
durchgemacht haben. Mit dem Indianer Antonio der Truppe möglichst 
weit voraus, schlugen wir den Weg durch Gestrüpp und Gebüsch und 
suchten die Übergänge an den mit dichtem Wald umsäumten Flúfschen. 
Die Truppe folgte später unseren rechts und links geschlagenen 
Marken. 
Am 6. September, ein meilenweit ausgedehntes mit niedrigem Baum- 
wuchs fafst undurchdringlich besetztes Hügelland nach Norden vor uns, 
machten wir Halt und schlugen unser Quartier an einem geeigneten 
Orte auf, den wir, da auf den 7. September das grofse Fest der Unab- 
hängigkeitserklärung von Brasilien fällt, „Independencia“ tauften, 
Hier sollten vier Leute, während wir Andern die Flußfahrt machten, bei 
den Maultieren zurückbleiben. 
Als wenn wir es beim Glück bestellt hätten, fanden wir bei unserer 
Independencia im Walde die ersten Indianerspuren. 
Leute hatten offenbar einen Jagdzug hierher unternommen; wir 
entdeckten geknickte Zweige, mit denensiedenWeg markiert hatten, einver- 
fallenes Schutzdach, Feuerplätze, wo Fische gebraten worden waren, und 
einen Baum, aus dessen Rinde man ein Kanu gemacht hatte. „Wenn es 
nur Bakairi sein werden“, war unser frommer Stofsseufzer. 
Wir folgten dem Beispiel unserer Vorgänger und stellten uns aus 
der Rinde des Jatobäbaumes das erste Kanu her. Um keine Zeit zu 
verlieren, wollte ich, während die Andern ein Stück Land rekognoszierten, 
mit zwei Leuten — unsern besten natürlich, jenem Indianer Antonio und 
dem Deutschbrasilianer Carlos — voraus, die Indianer aufzusuchen. 
Am 8. September schon fuhren wir den Anfangs kaum 40 m breiten, 
niedrigen, mit zahlreichen gestürzten Bäumen und vielen kleineren Strom- 
schnellen durchsetzten Fluß hinab. Am nächsten Tag passierten wir 
eine neue Flufsmiindung und am dritten den herrlichen Fall, 
welchen wir zu Ehren des um deutsche Interessen in Brasilien 
hochverdienten Senators Escragnolle de Taunay später den 
Taunayfall nannten. Hier hatten sich die Spuren, die wir 
aufmerksam überall durchforschten, schon massenhaft gehäuft. Am 
Mittag des 9. September, als ich zufällig die Andern ausgeschickt, um 
eine Bucht zu untersuchen, sehe ich stromab einen einzelnen nackten 
Indianer im Kanu, der hurtig dem Ufer zurudert und hinter einem 
Baumgestrüpp Deckung nimmt. War er ein Bakairi oder nicht? davon 
hing gar vieles ab. Ich raffe meine Bakairíkenntnisse zusammen, und 
rufe, ich sei ein guter Bakairí, worauf sofort mit heller aufgeregter 
Stimme die Antwort zurückklingt, ich sei kein Bakairf, aber er sei einer, 
— und darüber kam schon Antonio mit mächtigen Sätzen herbeige- 
sprungen und gewann sich mit lautem Zuruf rasch das Vertrauen seines 
  
 
	        
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