Full text: Schilderung der Reise (1)

  
   
Auf dem Rio Negro und Rio Branco . 7 
oia AULA 
traurig hervorragen. Man fragt sich unwillkürlich: „Ist dies überhaupt 
Festland ?** Auf beiden Seiten breiten sich unzählige große und kleine 
Seen aus, die jetzt in der Regenzeit mit dem Fluß in Verbindung stehen 
und auf dem östlichen Ufer bei Hochwasser mit dem Yauapery kommuni- 
zieren sollen. 
Die Barreira de Santa Maria, an der wir am Vormittag des 19. Juni 
entlang fahren, ist die erste kurze Erhebung des linken lehmigen Ufers in 
einer Länge von etwa 10 Kilometern, die auch im Winter von der Flut 
nicht bedeckt wird, ihrem beständigen Ansturm aber mit der Zeit erliegen 
muß. Im 17. Jahrhundert, als die Bevölkerung des Rio Branco weit be- 
deutender war als heute, bildete Santa Maria neben dem jetzt ganz 
verschwundenen Carmo und anderen Plätzen einen wichtigen Punkt der 
Karmeliter-Mission und zählte mehrere hundert Seelen. Ein paar erbärmliche 
Palmstrohhütten sind die traurigen Reste einstiger Herrlichkeit. Die Be- 
wohner, Mischlinge unbestimmter Herkunft, machen einen verkommenen 
und degenerierten Eindruck. Aus den hohlen Augen der hageren, fahlgelben 
Gesichter blickt das Fieber, das diese halben Amphibien von der Geburt 
bis zum Tode nicht verläßt. Sie leben von Jagd, Fischfang und primitivem 
Ackerbau, arbeiten aber nur so viel, daß sie nicht verhungern und sich 
gelegentlich eine Flasche Schnaps kaufen können, um den Namenstag ihrer 
Schutzheiligen festlich zu begießen. Das ist ihr ganzes Christentum! — 
Der Boden scheint gut zu sein. Ein Caboclo bringt uns im Kanu für 
einige Winchester-Patronen eine Last riesiger Abacaxi!, eine Art Ananas. 
Die größten haben eine Länge von 30 cm bei einem Umfang von 53 cm. 
Es gibt solche von 8 kg Gewicht. 
Eine Frau vor einer Hütte weht krampfhaft mit einem Tuch, nicht 
etwa, um uns zu begrüßen, sondern wegen der zahllosen Piuns (kleinen. 
Tagesstechmücken)?, die am Rio Branco in der Regenzeit eine furchtbare 
Plage bilden. 
Die Lancha ‚„Obidense“, die einen Tag später als wir von Manaos 
abfuhr, ist dicht hinter uns. Sie fährt aber auch nur einen Bateläo und hat 
sich nirgends aufgehalten, während wir außer unseren zwei plumpen 
Kähnen ein halbes Dutzend Boote mit uns schleppen und an jeder Hütte 
anlegen. Es gibt zum Schluß noch ein kleines Wettrennen. Beide fahren 
mit voller Kraft, doch wir kommen um eine Nasenlänge früher im Hafen 
von Sta. Maria an. Spottreden hinüber und herüber. Obidense muß zurück, 
da der Anlegeplatz zu klein ist. 
1 Sprich: Abakaschí. 2 Simulium 
 
	        
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