Full text: Schilderung der Reise (1)

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Regenzeit 30 
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scher knüpft, den Tanztext vor, jede Strophe zweimal. Die Tänzer sind 
inzwischen schweigend im großen Mittelraum der Maloka eine Runde 
gegangen. Nun fallen sie ein und wiederholen zweimal die Strophe. Trotz 
der einfachen Melodie, die etwas näselnd mit vibrierender Stimme ge- 
sungen wird, wirkt das Ganze feierlich, episch, wie ein alter Heldengesang, 
eine lange Mythe, die der alte Barde vorträgt, und es ist wohl auch nichts 
anderes. So pflanzen sich diese Mythen und Legenden vom Vater auf 
den Sohn, von Mund zu Mund fort, die Überlieferung, die mythische 
Geschichte des Stammes. 
Schade, daß man nicht verstehen kann, was sie da mit ernsten Ge- 
sichtern singen. Manduca ist noch nicht von der Jagd zurück, und er 
könnte es mir auch nicht erklären. Er ist zu solchen Arbeiten völlig un- 
brauchbar. Ja, wenn es Mayuluaipu wäre! — 
Es ist kein eigentlicher Tanz. Die Männer schreiten mit ge- 
senktem Haupt ohne Gleichtritt hintereinander her. Einige haben die 
Arme über der Brust gekreuzt und halten in der Hand die lange Zigarre, 
an der sie von Zeit zu Zeit ziehen. Hier und da legt einer die rechte Hand 
auf die linke Schulter des Vordermannes. Der Vortánzer trägt in der 
rechten Hand einen Stab, der oben mit Klappern aus Fruchtschalen um- 
wunden ist, und gibt damit den Takt an. So oft die Runde zum Haupt- 
eingang an den Sitz des Häuptlings kommt, stößt der Vortänzer den 
Tanzstock mehrmals stärker auf und macht ein paar Schritte rückwärts, 
indem er bei jedem Schritt den Oberkörper neigt. Die anderen folgen 
ihm. So geht es immer fort mit echt indianischer, unendlicher Ausdauer. 
Wenn der Alte müde wird, fordert er Manducas Schwiegervater, 
seinen jüngeren Bruder, auf, weiter zu singen, worauf dieser, während er 
mittanzt, den Vorsänger macht. 
Auch Weiber beteiligen sich am Tanz. Sie gehen entweder zur lin- 
ken Seite der Tänzer innerhalb der Runde, indem sie sich in den linken 
Arm eines Mannes hängen, oder zwei Frauen tanzen in dieser Weise neben- 
einander zwischen zwei Männern; also ohne alle Regel. 
Der Schmuck ist kläglich, kaum nennenswert: ein Strohreif mit klei- 
nen Tukanfedern, einige hübsche Ohrfederstäbe. Nur ein kleiner Bengel hat 
eine prachtvolle große Kette aus Schweinshauern um den Hals hängen. 
Ich gebe ihm ein Kinderspielzeug dafür und hänge sie mir selbst um. 
Die Bemalung der Tänzer und Festgäste ist ebenfalls überaus einfach, 
entweder bloßer Anstrich mit Urucúrot oder horizontale Parallelstreifen 
über das Gesicht und den ganzen Körper oder einfache Flechtmuster. 
„Der Alte“, wie der Häuptling hier allgemein genannt wird, gibt das 
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