Full text: Schilderung der Reise (1)

Schluß 
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versperrte. — Wie weit muß die Trockenheit vorgeschritten sein, bis eine 
allgemeine Feuersbrunst diese feuchten Tropenwälder vernichten kann! — 
Romeo war zum Küchenjungen avanciert. Er wusch Teller und Tassen 
und durfte sich dafür bei uns in der ersten Kajüte bewegen und mit den 
schwarzen Aufwärtern essen und trinken. Er bekam also erstklassiges Essen. 
Seine Backen wurden von Tag zu Tag runder. Freilich war dies ein anderes 
Essen, als die „mot“ (Regenwürmer) der Majonggöng! — Als er sich zum 
erstenmal zu Tisch setzte, war ich gespannt, wie er sich benehmen würde. 
Einen kurzen, unmerklichen Blick warf er zur Seite auf die anderen; dann 
nahm er das Besteck regelrecht in die Hände, und niemand hätte ihm 
angemerkt, daß er von Jugend auf gewohnt war, am Boden zu hocken und 
Fleisch und Fisch mit den Händen zu zerpflücken. 
Am 14. März kamen wir an der Mündung des Rio Branco vorüber und 
liefen zwölf Stunden später in den Hafen von Manaos ein. 
Die deutsche Kolonie feierte uns, die man schon für tot gehalten 
hatte, in der herzlichsten Weise. Wir mußten uns in unserem abgerissenen 
Zustand photographieren lassen, wurden auf die Redaktionen der verschie- 
denen Zeitungen geschleppt und nach jeder Richtung hin ausgefragt. Die 
Einladungen jagten sich und stellten fast übergroße Anforderungen an 
unsere Kräfte. Wer aber am meisten gefeiert wurde, war mein Romeo, der 
Wapischäna. Er nahm alle Ovationen als selbstverständlich entgegen. Mit 
offenen Augen nahm er alles in sich auf, aber er wunderte sich über nichts. 
Er fuhr stundenlang im Auto, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan. 
Eines Abends war ich mit ihm zu einer deutschen Familie geladen. Ich 
sehe ihn noch da sitzen, aufrecht, korrekt, in der rechten Hand das Wein- 
glas, in der linken das Glasschälchen mit Gebäck. Er ließ sich von der 
schönen Frau des Hauses bedienen und benahm sich durchaus als Kavalier. 
Als ein Herr ihm mit großer Fingerfertigkeit ein längeres Musikstück auf 
dem Klavier vorspielte und ihn dann fragte: „Nun Romeo, wie hat. es dir 
gefallen ?“ antwortete er, ohne eine Miene zu verziehen: „Es war hübsch. 
Es war gerade wie bei einer Schreibmaschine!“ — Noch nie habe ich ein 
so erstauntes Gesicht über solche niederschmetternde Kunstkritik gesehen. 
— Romeo, der die einfachen Melodien seines Stammes natürlich viel 
schöner fand als dieses Übermaß an Tönen, hatte nur auf die gelenkigen 
Finger gesehen. Dabei hatte er sich unseres Freundes Gavini erinnert, dem 
er in Capihuära beim Schreiben mit der Maschine zugeschaut hatte. 
Eine einzige erstaunte Frage hat Romeo an mich gerichtet. Eines Tages 
saß er auf dem Balkon bei Hübner und sah auf die breite Avenida Eduardo 
Ribeira hinab, auf der die Menschen geschäftig hin und her eilten. Da 
 
	        
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