Full text: Ethnographie (3)

  
  
Schutzmaßregeln der Hinterbliebenen 167 
mit dem Gesicht nach oben begraben. Gesicht und Füße sind stets nach 
Sonnenaufgang gerichtet. Wenn er Kleider gehabt hat, wird er mit diesen 
bedeckt. Dann wird das Grab unter dem fortwährenden Klagegeschrei der 
Hinterbliebenen zugeschaufelt und mit den Füßen festgestampft. Auf dem 
Grabe des Mannes werden seine Bogen und Pfeile zerbrochen. Hat der 
Verstorbene einen Bruder, so erhält dieser die Hinterlassenschaft. Auf dem 
Grabe der Frau werden alle ihre Töpfe zerschlagen, ihre Körbe und Korb- 
wannen, ihr Tragkorb und andere Geräte verbrannt, 
Auch nach der Bestattung klagen die näheren Verwandten jeden Tag, 
„sooft sie sich des Verstorbenen erinnern“?. Zwei Monate lang setzen sie 
die Klage fort, „bis sie ihn vergessen haben“, 
Gegen die gefährliche Nähe des Toten dienen verschiedene Schutz- 
maßregeln, die sich zum Teil in Verboten äußern, 
Sofort nach der Bestattung verfertigen sich die Hinterbliebenen San- 
dalen aus Mauritiablattstielen, damit ihnen der „Vater der Würmer“, motó- 
epödole, keine Wunden machen kann, wenn sie mit bloßen Füßen auf den 
Boden treten würden. 
Die Verwesungswürmer gehen offenbar auf diesem Weg in die Ein- 
geweide der Lebenden. Die Entfernung spielt dabei keine Rolle. Als mein 
Wapischána Romeo am Casiquiare an Eingeweidewürmern litt, sagte er zu 
mir: „Jetzt weiß ich, woher die Würmer kommen. Wahrscheinlich ist mein 
Vater oder mein Bruder zu Hause (am fernen Parimé!) gestorben.“ Ver- 
wesungswürmer und Eingeweidewürmer sind also identisch. Dies geht auch 
aus einem Zauberspruch hervor, durch den die Taulipäng zugleich die Ein- 
geweidewürmer zu vertreiben und sich gegen die Verwesungswürmer zu 
Schützen suchen‘. 
In der Plejadensage der Arekunä trauert Wayúlale um den Tod ihrer 
Mutter auf folgende Weise: Sie badet einen ganzen Monat nicht, ißt keine 
  
1 Die ganze Habe des Toten wird mit ihm begraben oder auf seinem Grabe verbrannt 
bei den Inselkaraiben (Rochefort a. a. O. 8.513), Kalinya-Galibi (Penard a. a. O. 8.175), 
Makuschi (Rich. Sehomburgk, Bd. I, S. 422; Appun, Ausland 1871, S. 446), Arowaken 
(Rich. Schomburgk, Bd. I, S. 458/459), Warrau (ebenda Bd. II, S, 446) und anderen 
Stämmen, 
2 Die eigenen Worte meines indianischen Gewährsmannes sind hier, wie im folgenden, 
2wischen Anführungszeichen gesetzt. 
* Bei den Makuschi wird die Totenklage von den nächsten Verwandten noch drei Wochen 
nach der Bestattung fortgesetzt (Rich. Schomburgk a. a. O. Bd.I, 8. 420/421). — Bei 
den Warrau klagen die Witwe und die Verwandten mehrere Tage lang (ebenda Bd. II, 
8.446/447). 
* Vgl. „Zaubersprüche“, Nr. IV. 
 
	        
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