196 a Geisterbeschwörung
anderen Guayanastämme eine Hauptrolle spielt, scheint bei den Taulipäng
und Arekunä nicht im Gebrauch zu sein. An ihre Stelle tritt das Blätter-
bindel *.
Zunächst singt der Zauberarzt in tiefen Kehllauten mit náselnder
Stimme feierlich ein eintöniges Lied. Es zerfällt in einzelne Strophen, die
er mit wildem Geschrei: „ya — — — ha — ha— há — — — ha — ha —
há — — — ha — ha — hä — — —!“ beginnt und mit lang anhaltendem:
yd == — —- — “ ausklingen läßt?. Dann hört man Achzen und Stöhnen,
Blasen, wild hervorgestoßenes: „ha — ha — ha — há — hädede — hädede“,
gurgelnde Laute. Er trinkt Tabaksaft. Raschelnd fährt er mit dem Blätter-
bündel über den Erdboden hin und her und läßt es leise, wie in der Ferne,
verklingen. Längere Pause. Sein Schatten hat sich vom Körper gelöst und
ist in die Höhe gestiegen®. Er holt einen Mauari, einen Geist der Berge,
meistens den Geist eines verstorbenen Zauberarztes, der für ihn die Kur
weiterführt. Schon hört man einige mit ganz anderer, rauher Stimme wild
hervorgestoßene Worte. Der Geist ist da. Er hat seinen Hund mitgebracht,
einen Jaguar. Man hört ihn knurren. — Dieser geisterhafte Jaguar sei den
gewöhnlichen Menschen gefährlich, sagen die Indianer, gegen die Zauber-
ärzte aber zahm wie ein Hund. — Aus dem Heulen des Zauberarztes wird
allmählich ein einförmiger Gesang, der bis zum Schluß der Kur dauert‘.
Katüra gab dazu folgende Erklärung: Bei der Krankenkur trinkt der
1 Die Zauberärzte der Makuschi verwenden nachRich.Schomburgk (a.a. O. Bd. Í,
S. 423) gewöhnlich die Zauberklapper. In dem Makuschidorfe Nappi aber im Flußgebiete des
Mahú, wo sich der Reisende von einem Zauberarzt behandeln ließ, setzte sich dieser neben
seiner Hängematte auf den Boden und peitschte mit zwei Blätterbündeln, die er in der Hand
trug, die Erde, wobei erein markdurchdringendes Geheul ausstieß (ebenda Bd. II, 8.145/146). —
Dasselbe beobachtete Im Thurn bei den Makuschi (a. a. O. 8.335 ff.). — Auch Crevaux
spricht bei der Beschreibung einer Krankenkur der Rukuyenne von einem Reiben und Schlagen
bestimmter Blätter (a. a. O. 8.299; vgl. weiter unten Fußnote *).
2 Vgl. den Anhang „Musik der Makuschi, Taulipáng und Yekuaná“. — Bei den Warrau
dauern die einleitenden Beschwörungsformeln der Zauberärzte bei der Krankenkur oft länger
als eine Stunde (Rich. Schomburgk a. a. O. Bd. 1,8.171).
3 Der Zauberarzt der Galibi sagt zuweilen bei seinen Beschwörungen, „daß er in den
Himmel fahren werde, und nimmt von den Anwesenden Abschied, verspricht ihnen aber zu-
gleich, daß er bald wiederkommen werde. Dann verändert er seine Stimme und spricht immer
leiser, bis er endlich aufhört zu sprechen, um glauben zu machen, daß er wirklich zum Himmel
gestiegen sei“ (Barrere a. a. 0.S. 215/216).
4 Ahnlich verlief eine Krankenkur bei den Rukuyenne (Ojana), die Crevaux (a. a. O.
S. 299) beschreibt: Der Zauberarzt kletterte in einen kleinen, kifigartigen Verschlag aus
Palmblättern. Der Kranke blieb vorläufig draußen und saß auf einem Schemel inmitten der
Zuschauer. „Nach einem Augenblick des Stillschweigens hören wir ein reibendes Geräusch.
Der Zauberer schlägt mit den Händen die Uapublätter. Dann bläst er heftig und ahmt den