Tabaktrinken =
Zauberarzt Tabaksaft, worauf sich sein Schatten, seine Seele, die er mit
dem ällgemeinen Namen für „Geist“, mauart, bezeichnete, vom Körper trennt
und in die Höhe geht. Der Leib bleibt an Ort und Stelle. Auf den hohen
Gebirgen begegnet diese Seele den Geistern (mauari) verstorbener Zauber-
ärzte, erzählt ihnen, daß hier ein Mensch krank sei, und ruft sie herbei.
Wenn der Tabaksaft im Körper des Zauberarztes „trocken“ geworden ist,
muß seine Seele in den Leib zurückkehren, aber sie bringt einen oder
mehrere der Geister mit und nimmt nun mit ihrer Hilfe die Kur vor. Wenn
die Seele des Zauberarztes nicht fortgehen kann, stirbt der Kranke. Des-
halb muß der Zauberarzt während der Krankenkur von Zeit zu Zeit Tabak-
Saft trinken, um seine Seele vom Leib zu lösen!, Diese zieht dann immer
wieder neue Zauberarztgeister hinzu.
Eine sehr dramatische Krankenkur hörte ich einige Monate später von
dem Arekuná Akdli?. Sie fand an einem fieberkranken Knaben statt, in
der Familienhütte eines Taulipäng, der auf dem Ostende der Insel Maracä
wohnte. Zuerst sang der Zauberarzt mit seiner natürlichen Stimme einen
Melodischen Gesang, der für einen Komponisten ein hübsches Motiv ab-
segeben hätte. Dazwischen hörte man Blasen: „gsch — — — gsch — — —4,
— er pustete Tabaksrauch über den Kranken —, und raschelndes Streichen
mit dem Blätterbündel hin und her, ganz gleichmäßig. Schon dies allein
muß auf einen Fieberkranken einen gewissen hypnotischen Einfluß ausüben, —
Allmählich verklingen Gesang und Rascheln. Gurgelnd trinkt der Zauberer
Tabaksbrühe, die ihm ein anderer zurechtgemacht hat, und spuckt danach
fürchterlich. Dann tiefe Stille. Sein Schatten ist in die Höhe gestiegen und
ruft einen Kollegen unter den Mauari, der an seiner Statt die Kur über-
nimmt, Plötzlich hört man eine rauhe Stimme sprechen und singen. Rato,
die »Wassermutter“, das Ungeheuer der Flüsse, ist erschienen. Dann wieder
läßt sich eine ganz hohe, weibliche Stimme hören, bald nahe, bald fern.
Schrei des Jaguars nach. Darauf pfeift er wie der Affe, singt wie der Hokko, wie die Pene-
lope, wie alle Tiere des Urwaldes. Er ruft alle seine Kollegen, die Tierzauberärzte, an,
en Jaguar-Zauberarzt‘, den ‚Affen-Zauberarzt‘, den ‚Schlangen-Zauberarzt‘, den ‚Pacü-
auberarzt‘, die ihm mit ihren Ratschlägen helfen sollen. Sie werden ihm Mittel angeben,
um denKranken zu heilen. — Es folgt ein tiefes Stillschweigen ; das ist der feierliche Augen-
blick der Konsultation zwischen dem menschlichen Zauberarzt und den tierischen Zauber-
Ärzten,“ — Nach einem Gesang des Zauberarztes wird der vor Angst zitternde Kranke zu
nn hinein geführt, und die eigentliche Behandlung mit Beblasen, Saugen usw. nimmt ihren
hfang,
* Der Zauberarzt der Galibi, sagt Barrere (a. a. O. S. 212), muß die Kraft, die ihn zum
macht, dann und wann durch einige Dosen Tabaksaft erneuern.
* Vgl. Band I, 8. 156/157.
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