Full text: Ethnographie (3)

  
384 Krankenkur, Jagdzauber 
  
sich in seinem Dienst auf das künftige schwere Amt vorbereitet, eine neue, 
dicke Zigarre, die er gewickelt und angeraucht hat. 
Bei der eigentlichen Krankenkur, die gewöhnlich zwischendurch statt- 
findet, hockt der Kranke vor dem Zauberarzt und kehrt ihm den Rücken 
zu. Der Zauberarzt bebläst ihn von Zeit zu Zeit mit Tabakrauch und rülpst 
und spukt danach, als wäre ihm etwas in die Kehle geraten. Dann pustet 
er Tabakrauch: „a — — gsch — — —! a — — gsch — — —!“ oder „6 — 
sch — — —! 6 — sch — — —!“ über den eigenen Körper. Zum Schluß er- 
hebt er sich wie vorher und läßt die Rassel verklingen. Der fremde Geist 
hat den menschlichen Körper verlassen. Langsam setzt sich der Zauberer 
nieder und spricht nach einer kurzen Weile mit seiner gewöhnlichen Stimme. 
Sein Schatten ist zurückgekehrt. Die Zeremonie ist beendet. 
Während der Beschwörung können mehrere Geister nacheinander auf- 
treten. Mehrmals erhebt sich der Zauberer und setzt sich nieder, wie es ] 
oben beschrieben wurde. Immer wieder spricht er mit anderer Stimme. Jedes- E 
mal ist ein anderer Geist in ihn gefahren. 
Die Beschwörung wird sofort abgebrochen, wenn eine Störung eintritt, 
z. B. wenn der Zauberer beim Nachahmen fremder Stimmen einen Husten- 
anfall bekommt, wie ich es einmal in Suhinya erlebte'. 
Die übrigen Bewohner des Hauses außer den zunächst Beteiligten 
kümmern sich wenig um den Zauber, Einige hocken um einen Topf und 
essen, andere unterhalten sich und lachen”laut. Ein junger Mann singt ein 
Tanzlied, ein anderer flótet, 
Die Beschwörungen, die der eigentlichen Krankenkur gewöhnlich vor- 
ausgehen oder auch ohne diese stattfinden, haben einmal den Zweck, das 
Haus, in dem mehrere Bewohner krank geworden sind, von allem Bösen 
zu reinigen und weitere schädigende Einflüsse fernzuhalten; sie haben 
aber auch noch einen anderen Zweck. Der Zauberarzt oder vielmehr der 
fremde Geist, der zeitweise von seinem Leibe Besitz genommen hat, gilt E 
als ein Orakel, das von den Anwesenden befragt wird, um zukiinftige Dinge : 
zu erfahren, ob man Gliick hat auf der Reise, die man plant, auf dem 
Jagdzug, den man am niichsten Tag unternehmen will. Diese stundenlangen 
Beschwórungen haben auch den magischen Zweck, die Jagdtiere zu beein- 
flussen, um die Jagd erfolgreich zu machen, gewissermaßen das Wild herbei- 
zulocken, es dem Jäger zuzutreiben. Der Zauberer singt daher die einzelnen 
  
  
1 Preuß erzählt von einer Zauberbeschwörung bei den Coreguaje am oberen Caquetá, 
die plötzlich abgebrochen wurde, weil ein Hund in die Hütte gekommen war. Der Hund 
wurde am nächsten Tag mit zusammengeschnürten Beinen in den Fluß geworfen ; K. Th. 
Preuß, Religion und Mythologie der Uitöto. Göttingen 1921. Bd. I, S. 23, 
  
 
	        
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