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sondern auch, daß es als Mittelpunkt aller Kultur und Intelli-
genz angesehen werden müsse, was ja tatsächlich vom 8. bis
zum Anfang des 5. Jahrhunderts, ἃ. ἢ. bis zur Eroberung Ioniens
durch die Perser (vgl. Herod. τ, 170: ᾿Ιωνίη διεφϑάρη), der Fall
war. Und als ein schlagender Beweis für die Richtigkeit dieser
Annahme kann jetzt das Zeugnis Ps.-Galens angesehen werden, der
(nach seinem jetzt von BErcsTrÄsser aus dem Arabischen über-
setzten Kommentar zu der Stelle) in seinem Exemplar von x.
ἐβδ. hier einen Zusatz gelesen hat, der besagte, daß "die Bewohner
Ioniens im höchsten Grade verständig, einsichtig und weise seien!
Wenn also unser Verfasser Ionien nicht als ‘Nabel’ (= Omphalos)
sondern als ‘Zwerchfell’ der Welt bezeichnet hat, so wird ihn
dazu sicherlich die Erwägung veranlaßt haben, daß dem Ausdruck
für Zwerchfell (φρένες) eine viel prägnantere Bedeutung (Zentrum
und Seele = Vernunft) eignete als dem Worte ὀμφαλός, das in
diesem Falle nur die zentrale Lage Ioniens nicht aber zugleich
dessen einzigartige kulturelle Bedeutung bezeichnet hätte. ἢ
2) Ein zweites kaum minder bedeutsames Zeugnis für die-
selbe Sache läßt sich aus dem, was Jamblichos de myster. 3, 11
p. 127 Parthey über das Orakel von Branchidai bemerkt, ge-
winnen. Es heißt dort (im unmittelbaren Anschluß an die Schil-
derung der vielfach übereinstimmenden Örakelsitte zu Kolophon
und Delphi) Ὁ):
Καὶ μὴν ἥ γε ἐν Βραγχίδαις γυνὴ χρησμῳδός, εἴτε δάβδον ἔχουσα
τὴν πρώτως ὑπὸ ϑεοῦ τινὸς παραδοϑεῖσαν πληροῦται τῆς ϑείας
εὐκράτου καὶ μέσης ἀμφοῖν ἔνεκα παραδείγματος ἐμνημόνευσεν. --- Auf dieser mitt-
leren Lage Ioniens beruht natürlich auch die die ganze milesische Naturphilosophie
beherrschende Lehre vom ϑερμόν und ψυχρόν, deren entgegengesetzte Wirkung die
Milesier in ihren nördlichen Kolonien ebenso wie in Naukratis kennen zu lernen
so reichliche Gelegenheit hatten.
75) Außerdem kommt hier noch der Umstand in Betracht, daß der altionische
Verfasser der Hebdomadenlehre in “Hippoer.’ w. Eß6. sich die Erde nicht mehr als
flache Rundscheibe sondern bereits als Kugel (wie Pythagoras) vorstellt, weshalb
bei ihm genau genommen kaum noch von einem “Nabel” sondern nur von einer
‘Achse’ (ἄξων; 5. unt. 8. 41 ff.) der Erdkugel die Rede sein kann.
76) 8. einstweilen oben 8. 5.
77) Natürlich ist hier ein Lorberstab gemeint, wie ihn Apollon selbst und
die in seinem Dienst stehenden Propheten, Dichter und Rhapsoden trugen. Vgl.
Borrticher, D. Baumkultus ἃ. Hellenen $. 350 ff.; Βοβσκη, Explan. Pind. Isthm.
3, 56 p. 506 und zahlreiche Bildwerke,