XXIX, 9.] OMPHALOS. 43
der Tempelcella oder des Adytons gehörte. Um diese Schwierig-
keit zu beseitigen, gibt es, soviel ich sehe, drei Wege: erstens die
Annahme, daß die den Omphalos betreffende Notiz des Pausanias
ursprünglich eine nachträglich gemachte Randbemerkung war, die
infolge eines Versehens später an die unrichtige Stelle geriet.
Oder aber, es wäre an eine kurz vor der Zeit des Pausanias be-
schlossene und ausgeführte Verlegung des Nabelsteins aus dem
Innern des Tempels in dessen äußere Umgebung zu denken.'””) Oder
man könnte auch, mit SrupnıczrA a. a. 0.8. 263, annehmen, "daß
der Marmoromphalos draußen vor dem Tempel, welchen Pausanias
für den echten hielt, nur eine von den Nachbildungen gewesen
sei, deren sich auch in Delphi gefunden haben’ (Bull. Corr. Hell. XVII
1894 8. ı80. Frazer Pausan. Υ 8. 318).*) Mir persönlich will die
zweite Alternative im Hinblick auf den sonst in der ‚griechischen
Religion überall wahrnehmbaren Konservativismus wenig glaublich
erscheinen, so daß ich mich bis auf weiteres für StupxiczkA oder
für die Annahme eines Versehens des Pausanias oder eines seiner
Abschreiber entscheide.) Im übrigen mache ich darauf aufmerk-
sam, daß, wenn der von Pausanias gesehene Nabelstein wirklich
von weißer Farbe, also doch wohl von Marmor war, die Meinung,
er sei ursprünglich ein Baityl gewesen, hinfällig werden dürfte,
weil solche Meteorsteine, soviel ich weiß, niemals eine weiße (helle),
sondern wegen des in ihnen befindlichen Eisens stets eine dunkle
Färbung aufweisen. .
ı8. Den ersten Jahrhunderten nach Chr. gehört der mehrfach
aus älteren Quellen schöpfende Geograph Agathemeros an, der
in seinem ersten Kapitel (περὶ τῆς τῶν παλαιῶν γεωγραφίας — 22)
bemerkt: Οἵ μὲν οὖν παλαιοὶ τὴν οἰκουμένην ἔγραφον στρογγύλην,
μέσην δὲ κεῖσϑαι τὴν Ελλάδα, χαὶ ταύτης 4ελφούς, τὸν ὀμφαλὸν
γὰρ ἔχειν τῆς γῆς.
133) Dies nehmen tatsächlich Dissen, O0. MüLter und Frazer Paus. VS.317
an; vgl. Srupnıczra a. ἃ. 0.8. 263 A. 1.
134) Wir werden später sehen, daß solche ‘Omphaloi” auch anderwärts, z. B.
in der Nekropole von Milet, also bei Branchidai (das ebenso wie Delphi sich rühmte
der Nabel der Erde zu sein) vorkommen,
135) Gelöst ist nunmehr die Streitfrage, und zwar endgültig, von Pomrow
ἃ. ἃ. 0. 8. 59f., der nachweist, daß Pausanias den eigentlichen Ὁ. des späteren Tem-
pels ignoriert, dafür aber einen neuerdings vor dem Tempel in situ gefundenen
großen Marmoromphalos (s. unten 8. 81 u. Taf. VI Fig. 1) nennt.