Der Gouverneur. 323
Hacendero, ſeine Grenzen ſchützend vor feindlichem Einbruch.
Als die Sängerin unter ſtürmiſchem Beifall geendet hatte,
flog es wie eine Wolke über ſein Geſicht; dann ſich mit
der Hand über die Augen ſtreichend, füllte er ſein Glas
und ſtimmte in das Lob der Sängerin, der Tochter des
mexikaniſchen Dichters Calderon, mit ein.
Trinkſprüche folgten einander, wie: „Freiheit und
Ehre.“ „Das Höchſte, was wir lieben.“ „Es lebe unſer
zukünftiger Präſident.“
Garcia de la Cadena erwiderte, nur zu ſeiner Um—
gebung gewandt, ohne ſich vom Sitze zu erheben: „Ja,
das Höchſte — und wenn nicht das Höchſte, dann einen
ſchönen Reitertod, wie es ſich für einen Caballero geziemt.“
Dann erhob er ſein Glas, ſprang auf, daß die Sporen
klirrten und rief: „Es leben alle Reiter!“ (Todos los
caballeros!)
Der Mann hatte ſicher den Götz nicht geleſen. Er
citierte ihn, ohne es zu wiſſen. Wie er dieſe Worte ſagte,
ſtand vor meinem geiſtigen Auge der letzte Ritter, der
Repräſentant männlicher Urwüchſigkeit und Kraft im ver—
geblichen Kampfe gegen die anſtürmende, alles nivellierende
neue Zeit, im Kampfe gegen eine andere, neuere Sorte von
Rittern, gegen die Vorkämpfer einer neuen wirtſchaftlichen
Ordnung.
Vor mir ſtand die Verkörperung des Kampfes eines
Übermenſchen gegen das Herdenmenſchentum.
Und dieſes Bild ſtand wieder vor meiner Seele, als
mich in der Hauptſtadt Mexiko mehrere Jahre darauf die
Kunde von ſeinem plötzlichen Tode traf. Bald nach einer
abermaligen Präſidentſchaftsverlängerung des Porfirio Diaz
hatte es Garcia de la Cadena nicht mehr Ruhe gelaſſen.
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