Besprechung von Dr. Otto‘ Pötzl, Wien 97
Der Verfasser nennt sie die germanische Kultur; die:
sie geschaffen haben in ihren leitenden: Ideen, deren An-
lage sie entstammt und denen allein sie darum angemessen
ist, sind ihm die Germanen.‘ Aber sein ‚Begriff ‚‚die: Ger-.
manen“ ist ein weiter, keinem alldeutschen Parteitag _ent-
nommen; er-ist ein — ihm entgegen sei es behauptet —
rein intuitiver, ein künstlerischer Begriff. Sein Wort
„Slawo-Kelto-Germanen“ mag ihn in seinem: Wesen an-
deuten. Oder es sei dafür gesagt: ‚Die nordische Rasse.“
Und Chamberlain’s „Rasse“ ist wieder ein Begriff, rein’
intuitiv und seiner Persönlichkeit Eigentum. Die Ethno-
logen haben ihm — objektiv — nur Meinungen entgegen-
zustellen; in der Welt seiner Vorstellungen hat er recht.
Aber seine lange empirische Beweiskette, die der Idee
gleichsam nachhinkt, befriedigt nicht; nach wie vor
herrscht die reine Intuition. Die Rasse schafft die ihr eige-
nen Ideen; diese selber aber und ihre Herrschaft über die
Rasse zeugen am lebendigsten von ihr. Es ist ein Zirkel
im Definieren; die Intuition ist der Definition entrückt.
Die Ideen unserer Kultur also sind im Sinne des Verfas-
sers germanisch. Alles an ihr ist noch in der Entwicke-
lung, im Fluss, sie‘wird sich ihnen nähern. Die Ideen
aber kennzeichnet Goethe’s Wort von der Persönlichkeit,
die innerlich unbegrenzt, äusserlich begrenzt ist. Und
„höchstes Glück der. Erdenkinder ‘ist nur die Persönlich-
keit“. Die Tendenz, nach aussen sich abzugrenzen in Na-
tionalstaaten, und darum die erstaunliche Plastizität der
Staatenbildung im grellen Gegensatz zur römischen impe-
rialistischen Idee, die Tendenz, nach innen frei zu sein,
unbegrenzt im innern Reich der Persönlichkeit, sie. sind
ihm die germanische Kulturidee. Die Eigenschaft: ger-
manischer Rasse, die stets überwiegt, gleichsam ihr hi-
storisches Merkmal, ist ihm die Treue. Die Weltanschau-
ung der Germanen in ihrem Bedürfnis nach einer rein: in-
nerlichen Religion und die fremde, äussere, ‘der sie sich
Kritische Urteile 7