Besprechung der ‚„Magdeburgischen Zeitung“ 105
Titel: Dilettantismus, Rasse, Monotheismus, Rom vor-
liegt.) Manche Auffassungen Chamberlains bewegen sich
auf so ungewohntem Geleise, dass es notwendig erschien,
gewisse Missverständnisse zu beseitigen, die durch wider-
spruchsvolle Kritiken zum Teil absichtlich genährt, ent-
standen waren und die reine Wirkung des Buches zu beein-
trächtigen drohten. Zunächst entwickelte Chamberlain
hier, im Anschluss an Goethe und Schopenhauer, dass ein
wohlverstandener Dilettantismus ein Kulturbedürfnis un-
serer Zeit ist; der echte Dilettant soll nach ihm „ein ge-
schulter Nichtfachgelehrter“ sein, der mit Bewusstsein sei-
ner verantwortlichen Stellung zwischen Wissenschaft und
Leben vermittelt, wie es bei der notwendigerweise immer
mehr zunehmenden Spezialisierung des Fachgelehrtentums
nötig ist. Sodann geht der Verfasser zu der viel umstrit-
tenen Rassenfrage über. Den rein empirischen Standpunkt
verfechtend, bekämpft er sowohl die Dogmatiker als auch
die Skeptiker und verlangt, dass wir von dem Bekannten
und Gegenwärtigen ausgehen, um in 'dessen Licht das
Vergangene begreifen und das Zukünftige gestalten zu
lernen. Chamberlain schliesst sich in der 'Rassenfrage eng
an Darwin an und bekämpft energisch die beliebte Ver-
wechslung seiner durchaus praktischen und konstruktiven
Ideen mit den dogmatischen und pessimistischen Lehren
Gobineaus. Ein besonderes Interesse gewinnt die nun
folgende Auseinandersetzung über den Einfluss des Se-
mitismus auf die Religion dadurch, dass der Verfasser die
heikle Frage nicht rein theoretisch behandelt, sondern
an einem unmittelbar aus der Gegenwart gegriffenen prak-
tischen Beispiel zeigt, wie unter dem Anschein freier, wis-
senschaftlicher Forschung auch heute noch das priester-
liche Ideal eines starren historischen Kirchenglaubens am
Werke ist. Das herangezogene Beispiel ist die 1902 ’er-
.*) Dieses Vorwort ist in die neuen Auflagen der »Grundlagen«
nicht mit aufgenommen, ebensowenig wie das zur dritten Auflage;
beide sind aber auch jetzt noch als Sonderdrucke X 1M. zu haben,