Besprechung von Karl Schneider, München 187
des Herrn Chamberlain milder zu beurteilen, indem er
ihn als Platoniker betrachtet. Auf andere machen seine
Ausführungen vielleicht mehr den tragisch-heiteren Ein-
druck jenes heutzutage auf allen Gebieten des geistigen
Lebens bemerkbaren, dekadentaffektiert-schwachsinnheu-
chelnden Strebertums, das Aufsehen erregen will — um
jeden Preis.
Es lag die Pflicht vor, der Oeffentlichkeit, an welche
Herrn Chamberlain’s Worte gerichtet waren, diese Erschei-
nung in helleres Licht zu rücken.
Im Kreise von Naturforschern wird solch ein phrasen-
schillernder Zitatenzettelkastenliterat im theatralisch-an-
tiken Philosophenkleide nur Lachen erregen
Prof. Dr. B. Hatschek, Wien.
(Neue Freie Presse 4905, Nr. vom 7. Dezember.)
21.
Ein in jeder Hinsicht aussergewöhnliches Werk, einer
Verehrung für den grossen Königsberger Denker entsprun-
gen, wie sie tiefer und inniger kaum jemals Ausdruck ge-
funden hat. Kant ist für Chamberlain nicht nur der
grösste, ja im Grunde der einzige wahre Philosoph, der
unter den Abendländern gelehrt hat, nicht nur ein Spender
unerschöpflicher Erkenntnis, der wie ein Montblanc nie-
dere Vorberge die übrigen Philosophen überragt, bei dem
jeder Zweifel lediglich als Unverständnis oder Überhebung
auf den Zweifelnden zurückfällt; sondern, was ihm un-
vergleichlich mehr als dieses bedeutet, ein Führer zu einem
ganz neuen, höheren Menschentum, der’ Entdecker und
Begründer der wahren Menschenwürde, der einzige Weg-