Full text: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts und Immanuel Kant

   
  
26  Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts 
  
rität: auf allen Gebieten, auf dem der sozialen Entwicke- 
lung wie dem der wissenschaftlichen Forschung, auf denen 
der Kunst, der Literatur und des alltäglichen öffentlichen 
und privaten Lebens regt sich dieses Streben nach einer 
Geltendmachung der lebendigen Persönlichkeit gegenüber 
dem eingetrockneten Buchstaben der Tradition, diese Sehn- 
sucht, wieder möglichst unbefangen dreinschauen zu kön- 
nen, unbefangen und unverwirrt durch das Alte, nur dar- 
auf hörend, was uns die gleichsam zu neuem Wahrnehmen 
erwachten Sinne und ein in nur geahnte Tiefen des 
Menschlichen hinabdrängendes Empfinden predigen. 
Aber seltsam! während dieser siegesfreudige Kampfes- 
ton aus fast jeder Seite des Buches an unser Ohr schlägt 
und auch aus den kleinsten Einzelheiten der wissenschaft- 
lichen Fehden oft scharf und hell herausklingt, vermeinen 
wir daneben oft das geheime Ächzen und Stöhnen einer 
mühsam mit den wissenschaftlichen Tatsachen ringenden 
und sich abquälenden Natur zu vernehmen. Das ist der 
Riss, der unsres Erachtens durch die ganze Darstellung des 
Buches klafft. Neben dem bewusst ‚„ungelehrten“ und so 
prächtig kühn dreinschlagenden und aufräumenden Sieg- 
fried dieses Buches steht doch auch ein in den Tiefen des 
wissenschaftlichen künstlichen Konstruierens vergebens 
nach Licht sich abmühender Alberich. ‘Wir haben früher 
schon betont, dass Chamberlain in landläufigem Sinn des 
Wortes keineswegs ‚„ungelehrt“ oder ein ,Dilettant‘“ ist, 
dass er im Gegenteil über eine kritische Belesenheit von 
seltenem Umfang verfügt. Und wir müssen erweiternd 
hinzufügen, dass seine ‚Gelehrsamkeit‘“ mit dem schärfsten 
Instinkt für das Wesentliche und Durchschlagende auf fast 
jedem Wissensgebiet gepaart ist, dass er mit glücklichem 
Scharfsinn und feinstem Fühlen den Strömungen nachzu- 
gehen weiss, die aus den eigentlichen tiefen Quellen des 
Wissens hervorrauschen. Er kann an Umfang und Tiefe 
seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse und Beobachtungen 
auf viele Gelehrte herabsehen, denn nicht nur das rasche 
  
   
 
	        
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