Besprechung der Neuen Zürcher Zeitung 43
eines grossen Anhangs in der mittelmässigen Menge gewiss
zu sein“. Anonymus H. C.
(Die Gesellschaft. Jahrgang 1900, zweites Dezemberheft.)
di
EIN BUCH UND EIN MANN.
Wenn ein Fremder ein deutsches Buch schreibt, so
ist das zum mindesten eine Merkwürdigkeit, die eine Zei-
tung unter den Tagesneuigkeiten erwähnen kann. Hat aber
dieses Werk davon abgesehen einen bedeutenden oder gar
hervorragenden Wert, so muss doppelt lange dabei verweilt
werden, denn es bedeutet zugleich eine Anerkennung un-
serer Kultur, wie man sie sich grösser nicht denken kann.
Treitschke mag im allgemeinen und für Prinzen besonders
recht haben, dass es ihr Unglück sei, wenn sie von Ju-
gend auf in verschiedenen Sprachen unterrichtet werden,
weil sie dann keine recht besässen. Zu allen Zeiten hat es
jedoch Männer gegeben, die in mehreren Zungen gleich
vorzüglich und meisterhaft zu reden und zu schreiben
wussten.
Diese vielseitige Herrschaft lässt sich natürlich nicht
durch Reisen und Plaudern in den Salons aller Weltstädte
allein erreichen, sondern neben der unerringbaren Bega-
bung nur durch eindringende Studien des Geistes und We-
sens der verschiedenen Kulturvölker, wie es sich in ihren
Litteraturen vor allem offenbart. So darf mit Recht ge-
sagt werden, dass es eine Anerkennung unserer Kultur ist,
als deren bedeutendstes Erzeugnis die Sprache zu gelten
hat, wenn sie ein solcher vielgewandter Fremder wählt,