Full text: Im Reiche des Kondor

  
  
108 00000000000000000000000 Sechstes Kapitel. 0000000000000000000000000000 
oder befanden sie sich auf der Wanderung? Wahrscheinlich letz- 
teres, denn die Weißbartpekaris sind dafür bekannt, daß sie in 
starken Rotten in ununterbrochener Bewegung sind, bald hier, 
bald dort, und daß sie sich auf Wanderungen durch nichts zurück- 
schrecken lassen. Ströme durchrinnen sie, Menschen und Hunde, 
die sich ihnen in den Weg stellen, greifen sie mit ihren 
scharfen Gewehren an, selbst vor Pferden schrecken sie nicht 
zurück, attackieren sie und schlagen nach Sehnen und Fesseln. 
Ich habe selbst einmal ein Pferd gesehen, das von den Wild- 
schweinen schwer an den Sehnen der Hinterbeine verletzt war. 
Ich stieg nun vom Baum herunter und besichtigte die Stelle, wo 
die Sauen in den Wald eingewechselt waren. Alte Fährten standen 
hier nicht. Es war also klar, daß die Schwarzröcke sich nicht auf 
einem Gewohnheitswechsel befunden hatten, 
Inzwischen war die Sonne höhergestiegen und begann sich 
recht bemerklich zu machen. Wunderbar gefärbte Falter flatterten 
um die unzähligen Orchideen herum, die in langen Ketten von den 
Riesen des Urwaldes herabhingen. Hier war der Wald durchaus 
nicht ungangbar, denn es fehlte Bambusdickicht. Man konnte 
sogar pirschen, ohne Geräusch zu verursachen, denn der dicke 
Moosteppich machte ein Anstoßen oder gar Knicken von Zweigen 
zur Unmöglichkeit. Man pirschte wie im deutschen Mittelgebirge. 
Tatsächlich befanden wir uns hier ja auch nicht mehr als 5_600 
Meter über dem Meere. 
Inzwischen hatte sich Oberhofer bei mir eingefunden, mit dem 
ich die Lage besprach. Ich war der Ansicht, daß wir dem Schwarz- 
wilde sogleich folgen sollten, in der Hoffnung, irgendwo im Innern 
des Waldes auf das Wild zu stoßen, Oberhofer meinte, das habe 
keinen Zweck, weil die Pekaris große Strecken ohne Unterbrechung 
zurückzulegen pflegten und eigentlich immer auf der Wanderung 
wären. Aber ich setzte meinen Willen durch. Hier standen alte 
Araucarias, unter denen man sehr gut hindurchkonnte, Es war mir 
bereits aufgefallen, daß gerade in der Umgegend von Campiüas 
besonders schöne Araucarias wuchsen. Warum sollte man nicht 
wenigstens einen Versuch machen? Auch die Neugier trieb mich. 
Der Vorsicht halber legte ich zunächst einmal die Richtung genau 
nach dem Kompaß fest. Das war unbedingt nötig, denn sonst 
drohte uns Gefahr, nicht wieder aus dem Walde herauszukommen. 
Es ist nicht ganz einfach, im Urwalde zu pirschen, ohne sich zu 
verlaufen— und dasVerirren wird oft mit VerlustdesLebens gestraft. 
  
 
	        
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