Full text: Herbsttage in Andalusien

  
  
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204 Kapitel XI. 
1492 zuerſt die chriſtliche Fahne aufgezogen, allem Volk der 
weiten Ebene Granadas und vor allem dem Heere von 
Aragonien und Kaſtilien, das draußen bei Santa Fé lagerte, 
zum Zeichen, daß die letzte Maurenfeſte Spaniens in die 
Hände der Chriſten übergegangen ſei. Noch alljährlich wird 
der 2. Januar in Granada und Umgegend als nationaler 
Feſttag gefeiert. An dieſem Tage ſpringen alle Fontänen 
in den Sälen und Höfen des Königsſchloſſes, und das Land— 
volk ſtrömt in Maſſen zur Alhambra hinaus und beſteigt 
die Torre de la Vela. Hier hängt oben in freier Luft eine 
große Glocke, die für die Bewäſſerungsarbeiter der Vega in 
der Nacht die Stunden angiebt oder auch warnend ertönt, 
wenn Ueberſchwemmungsgefahr von den Wildwaſſern der 
Sierra Nevada droht. Ihr Ton ſoll in ſtiller Nacht durch 
den geſamten Umkreis der granadiſchen Ebene vernommen 
werden. An jenem Feſttage aber hat ſie einen noch vornehmeren 
Zweck. Wenn dann nämlich ein lediges Mädchen, das einen 
Mann haben möchte, recht tüchtig an dem Strange zieht, ſo 
bekommt ſie ganz gewiß dieſes Jahr noch einen, und einen 
um ſo beſſeren, je ſtärker ſie läutet. Reiſende, die zu dieſer 
Zeit in Granada waren, verſichern, daß die Glocke an dieſem 
ganzen Tage nicht ſtille ſteht und einen ganz entſetzlichen 
Lärm vollführt. 
Wunderſchön iſt die Ausſicht von der Torre de la Vela. 
Schauen wir zurück auf die Kasbah, ſo haben wir hier das 
typiſche Bild einer poetiſchen mittelalterlichen Schloßruine, aus 
einem Meer grüner Wipfel emporſteigend: trotzige Türme und 
Mauern, behangen mit üppig grünen Rankengewinden, kleine 
Treppchen, Brüſtungen, an der Mauer ſchwebende Gänge 
und dergleichen. Im Innern liegt ein ſchöner Blumengarten, 
der damals in der Farbenfülle der Herbſtblüte prangte. 
Schauen wir dagegen nach vorwärts, ſo fällt unſer Blick zu—
	        
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