Full text: Herbsttage in Andalusien

    
    
48 Kapitel IV. 
die hohe Zollbehörde: zwei bejahrte Mauren mit großen Tur— 
banen, langen, weißen Bärten und einem feierlichen, regungs— 
loſen Ernſt, wie er der Richter der Unterwelt würdig ge— 
weſen wäre. Ehrerbietig breiteten die Träger unſere Koffer 
vor ihnen auf dem Fußboden aus. Ein ſtummer Wink der 
Hand: wir mußten öffnen. Damit aber war auch das amt— 
liche Gewiſſen befriedigt; ein zweiter Wink, nur durch ein 
kaum merkliches, hoheitsvolles Neigen des Hauptes angedeutet, 
und wir konnten wieder zuſchließen und paſſieren. Durch ein 
paar ſchmale Gaſſen mit weißgetünchten kahlen Wänden und 
ſchrecklichem Pflaſter kletterten wir hinauf in unſer nur wenige 
Minuten entferntes Hotel, ein treffliches Gaſthaus, mit euro— 
päiſchem Komfort, einer großen Bibliothek und einem Wirte, 
der ſogar deutſch ſprach. 
Wenn ich jetzt des wundervollen Abends wieder gedenke, 
wo ich aus dem offenen Fenſter des unvergleichlich gelegenen 
Hauſes über die weite Bucht von Tanger hinausblickte, unter 
mir die flachen Dächer der erſten afrikaniſchen Stadt, die 
mein Fuß betreten, weiterhin den von Booten und Schiffen 
belebten Hafen mit den Trümmern des alten Schutzdammes, 
— den einſt die Engländer gebaut, da ſie Tanger beſaßen 
(1662 4684), und den ſie gewiſſenhaft wieder zerſtörten, als 
ſie es aufgaben —, und an den Hafen anſchließend in ſchönem 
Bogen den weißen Strand der Bucht von Tanger in jenem 
Abenddufte, der jedem ſchönen Landſchaftsbilde eine ſo wunder— 
bare Stimmung, eine ſo mild gedankenvolle Tiefe giebt; 
wenn ich mir den Klang der in langſamen Atemzügen auf 
den Strand rauſchenden Wellen des Atlantiſchen Ozeans zu— 
rückrufe und im Geiſte die fernen, dämmerigen Bergzüge 
gegenüber wieder ſehe, von deren Abhängen ein Haufe winziger 
Lichter herüberſchimmert — das Lager der gegen die Anghieras 
aufgebotenen Truppen: dann fühle ich von neuem das tiefe
	        
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