52 Kapitel IV.
Braun, weiß, blau, gelb und rot ſchienen die Hauptfarben
der Kleidung, die bald eine mönchsartige Kutte, ein einfaches
Gürtelwams, ein loſe flatterndes Hemd oder eine Art ſchön
gefalteter Toga war, letztere bei beſonders vornehmen Perſonen
ein Überkleid von einem weißlichen, ſeidenartig durchſchimmern—
den Stoffe. Auf den Köpfen trug man mächtige Turbane,
bunte Feze, oder nur den Schmuck des krauſen Haares, an
den Füßen breite gelbe Pantoffeln. Die zahlreichen Juden
waren meiſt kenntlich an einem langen dunklen Kaftan, ähn—
lich wie ſie ihn bei uns in Polen tragen, und einem ſchwarzen
Käppchen. Schmerzlich iſt der Anblick der Weiber, die, bis
auf die Augen in eine mißfarbene Leinwandhülle vermummt,
wie graue Geſpenſter in dem Gewühl umherſchleichen. Und
ſie hätten es doch wegen des Seelenfriedens der Männerwelt
meiſtens kaum nötig, ſich zu dieſen wandelnden Kartoffelſäcken
zu machen, mit denen man ſie treffend verglichen hat. Viel
eher noch die ſchlanken Jüdinnen, für die dies Geſetz nicht
gilt, und die man häufig in den ſchmalen Gäßchen und den
niedrigen Hausthüren ihres Viertels erblicken kann; deren
ſchalkhaft lächelnde Angeſichter mit der ſcharfgeſchnittenen
ſchmalen Naſe und den großen, nachtdunklen Augen waren in
der That mehrfach von ganz gefährlicher Schönheit.
Die Straße iſt beſetzt mit Läden und Werkſtätten: kleinen
offenen Gelaſſen, in denen der am Boden hockende Eigen—
tümer faſt den ganzen freien Raum ausfüllt. Doch ſieht man
auch ſchon europäiſcher eingerichtete Magazine mit Glasthür
und Ladentiſch. Auch die oft geſchilderten öffentlichen Brief—
ſchreiber oder Advokaten ſahen wir. In einem ſchmutzigen
Raum zu ebener Erde, den man an ſich für einen Gänſeſtall
gehalten haben würde, hockte ein alter, halbblinder Schulmeiſter
mit ſchmierigem gelbem Turban und brachte einer Schar
von acht bis zehn um ihn herumſitzenden kleinen ſchmutznaſigen