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4. Viehzucht.
Obſchon die Viehzucht im Großen auf dem Kamp meiſtens von den
Braſilianern portugieſiſcher Abſtammung, den ſogenannten Stanzieros, betrieben
wird, ſo beſitzt doch jeder Koloniſt nach einigen Jahren einen nicht unbedeutenden
Viehſtand. Das erſte, worauf ein Koloniſt bedacht ſein muß, iſt, eine oder
mehrere Milchkühe zu halten. Was er an Milch nicht in der Haushaltung
verbraucht, kann er zur Butterbereitung verwenden, oder wo ſchon Käſereien be—
ſtehen, an dieſe vorteilhaft verkaufen. In der Nähe größerer Ortſchaften oder
gar Städte iſt der Milchverkauf ſehr rentabel. Sobald das Land mit dem
Pflug bearbeitet werden kann, iſt ein Ochſengeſpann jedem Koloniſten unbe—
dingt notwendig. Gegenwärtig ſind gute Zugochſen ſehr teuer, 3400 Milreis;
manche weniger bemittelte Koloniſten pflügen und fahren daher auch mit Kühen,
was natürlich den Milchertrag ſchädigt. Iſt ein Koloniſt einmal gut eingerichtet
und beſitzt er genügend Weide (Potreiro), ſo kann er ſich ſeine Ochſen ſelber
heranziehen. Ebenſo rg wie Kühe und Ochſen ſind dem Koloniſten
Pferde und Mulen als Reit- und Transporttiere; denn ohne Reiten iſt hier
der Verkehr ſehr ſchwierig.
Das notwendigſte Tier für den Koloniſten iſt aber das Schwein. Das—
ſelbe liefert nicht nur für den Haushalt Fleiſch und Schmalz, es iſt zugleich die
Verarbeitungsmaſchine für verſchiedene Nutzpflanzen wie Mais, Mandiok.
Beſonders in den neuen Koloniegebieten gibt es oft eine ſehr reiche Maisernte,
für die der Abſatz fehlt oder zu koſtſpielig iſt, während Speck und Schmalz auch
die Unkoſten eines weiten Transportes ertragen. — Die Schafzucht beſchränkt
ſich auf der Kolonie meiſtens darauf, daß der eine oder andere Koloniſt ſich
einige Schafe hält, um ſich Reitpelze zu verſchaffen, da dieſelben gegenwärtig
ſehr teuer ſind. Auf dem Kamp dagegen, beſonders an der Grenze gegen
Uruguay, betreiben manche Stanzieros die Schafszucht im Großen mit edlern
Tierſorten.
Bienenzucht im Kleinen betreibt faſt jeder Koloniſt. Auf den neuen
Kolonien, wo der Bienenſtand noch in der Nähe des Urwaldes liegt, findet die
Biene viel reichlichere Nahrung und gedeiht viel beſſer und bringt reichern Er—
trag. Bei den jetzigen hohen Preiſen von Honig und Wachs iſt die Bienenzucht immer
eine gute Nebeneinnahme für den Koloniſten. Seidenraupenzucht könnte hier
auch vorteilhaft betrieben werden, dieſelbe beſchränkt ſich aber noch auf beſcheidene
Anfänge unter den italieniſchen Koloniſten. Hühner, Enten und auf einigen
Kolonien auch Gänſe werden hier überall gezogen, letztere hauptſächlich der
Federn wegen; deun, trotz des milden Klimas, hat der Deutſche immer noch
ſeine angeborene Vörliebe für das „Federbett“ Die Hühner bringen der
Koloniſtenfrau im Laufe des Jahres eine ſchöne Summe „Eiergeld“ ein, womit
ſie verſchiedene kleine Haushaltungsausgaben beſtreitet.
Der wichtigſte Punkt bei der Viehzucht iſt die Futterverſorgung, wes⸗
wegen wir hier noch einige Bemerkungen darüber folgen laſſen. Im allgemeinen
kann man ſagen, daß gerade Rio Grande do Sul hierin ſehr gut beſtellt iſt.
Wenn im Winter keine anhaltende Kälte und im Sommer keine große Trockenheit
herrſcht, ſo findet das Vieh Jahr aus Jahr ein die genügende Nahrung auf der
Weide. Ein gut abgeſchloſſener Weidegang für ſein Vieh, ein ſogenanntes
Jogeg herzuſtellen, iſt eine der erſten Sorgen für einen jeden Koloniſten.
Nachdeni das Land in der Nähe des Hauſes einige Jahre bepflanzt, als Plan⸗—
tage benutzt wurde, zäunt man einen Teil desſelben ein. Im letzten Jahr der