Auskünfte für Auswanderer nach Süd - Braſilien.
Unter den Ländern, die für die deutſche Einwanderung in Betracht kommen könnten,
ſteht an erſter Stelle Aaiez lind beſonders der Staat Rio Grande do Sul und
zwar aus folgenden Gründen: Di klimatiſchen und geſundheittichen Verhältniſſe ſind von denen
Mitteleuropas nicht allzuſehr verſchkeden, — Sommertkemperatur bis 370 C., Wintertemperatur
auf dem Hochland bis —70 C., im Tiefland bis O0 C. — Im Lande befinden ſich bereits
400 000 deutſche Abkömmlinge, die zum größten Teil in geſchlofſenen Kolonien zuſammen
wohnen und durch Kirche, Schule, Vereinstätigkeit und Preſſe ihre völkiſche Eigenart ſich be
wahrt haben. Außerdem beſteht im Lande das Kleinbauerſyſtem (Hofſyſten), im Gegenſatze
zu anderen ſüdamerikaniſchen Staaten, wie etwa Argentinien und Uruguah, mit ihren land—
wirtſchaftlichen Großbetrieben und Pachtweſen.
Leider ſtehen einer planmäßigen Einwanderung in größerem Maßſtabe z. Zt. große
Hindernifſe im Wege. Die Staatsregierung von Rio Grande do Sul will die noch vorhau—
denen Staatsländereien für den Nachwuchs im Lande reſervieren und gibt daher weder Frei
land, noch Land gegen Bezahlung an Einwanderer ab. Auch unterſtittzt die hieſige Staats⸗
regierung in keiner Weiſe die Einwanderer durch Freipaſſagen, Lieferung von Handwerkzeug,
Saͤmereten, Lebensmittel und andere früher gewährte Vergünſtigungen. Wohl exiſtieren hier
verſchiedene Privatkoloniſationsgeſellſchaften, auch gibt es da und dort noch Privatland, aber
dieſer Landhandel iſt mehr auf den Verkauf an hieſige Koloniſten zugeſchnitten und Vergün—
ſtigungen oder Beihilfe koͤnnen von Privaten nicht gewährt werden. Sie werden von hieſigen
Koͤloniſten auch nicht beanſprucht. Die bruaſilianiſche Bundesregierung beſitzt im hieſigen Staate
keine Ländereien, doch hegt man die Hoffnung, daß dieſelbe mit der Zeit Freipaſſagen gewähren
wird, die dann nicht nur für die Bundesländereien im Norden, ſondern auch für die Reiſe
nach Rio Grande do Sul gelten würden.
Jeder, der die Abſicht hat, nach hier auszuwandern, tut daher gut, dieſe Verhältniſſe
in Betracht zu ziehen und wer drüben in der alten Heimat ſein Auskommen hat, möge es ſich
reiflich überlegen, das Sichere gegen das Unſichere auszutauſchen.
Entſchieden müſſen wir warnen, daß Angehörige akademiſcher Berufe: Aerzte, Ju—
riſten, Künſtler, Profeſſoren, Lehrer uſw. näch hier kommen, ihnen dürften viele Enttäuſchungen
bevorſtehen. Ebenſo ſind die Ausſichten für Kaufleute ſehr ungünſtig. Der Bedarf dafür
wird reichlich aus dent hieſigen Nachwuchs gedeckt, der deshalb bevorzugt wird, weil er nicht
nur die Landesſprache, ſondern auch die Verhätniſſe genau kennt. Die Bezahlung der kauf—
männiſchen Angeſtellien iſt im Großen und Ganzen nicht den teuren Lebensverhültniſſen ent
ſprechend und meiſtens für den Unterhalt einer Familie unzureichend. Günſtiger liegen die
Verhältniſſe für Handwerker jeder Ärt, da an ſolchen in Stadt und Land ein großer Mangel
iſt. Das Mitbringen von Handwerkszeug iſt unter allen Umſtänden empfehlenswert und für
die, welche ſich ſeloſtändig machen wollen, eine Notwendigkeit. In den zahlreichen induſtriellen
Belrieben können auch Fabrikarbeiter Beſchäftigung finden. Es gibt: Webereien, Möbel—
fabriken, Maſchinenfabriken, Gießereien, Schiffswerften, Schuhfabriken, Gerbereien, Konſerven—
fabriken, Großſchlachtereien, Wagenfabriken, Bautiſchlereien, Zigarrenfabriken uſw. Land
aärbeitéèr, zumal wenn ſie unverheiratet ſind, finden in den großen Reispflanzungen und auf
den Bauernhöfen Beſchäftigung. Gute deutſche Dienſtboten kommen beſonders in den großen
Städten zur Zeit immer leicht unter und zwar zu Löhnen, welche im Verhältnis zu denen in
Deutſchland vörteilhaft ſind (40 bis 60 Milreis monatlich). Ebenſo können Chauffeure, Gärt⸗—
ner, Pferdewärter leicht unterkommen.
Wer ſelbſtändig Landwirtſchaft treiben will, muß entſprechende Barmittel zur Ver⸗
fügung haben, um ſich Land kaufen, einige Haustiere anſchaffen und bis zur erſten Ernte
ſeinen Lebensunterhalt beſtreiten zu können.
In Betracht kommt die Niederlaſſung in den bereits in Kultur befindlichen Gegenden,
den ſogenannten „Alten Kolonien“, oder im weiter entfernten Waldland (Urwaldkolonien),
alſo in Neuland.
Zum Ankauf in der alten Koloniezone ſind erhehliche Mittel erforderlich. Die
Größe eines Kolonieloſes (Hofes) beläuft ſich hier auf 25 bis 48 Hektar, wofür je nach den
vorhaͤndenen Gebäulichkeiten, Pflanzungen und Einrichtungen etwa 7000 bis 20.000 Milreis
und mehr zu zahlen iſt. Nach heuͤtigem Kurs von 1 Mark 100 Reis (1 Milreis hat