Einleitung.
Die von mir im Auftrage der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin
und mit hochherziger Unterstützung Sr. Exzellenz des Herrn Herzogs von Loubat (Paris)
in den Jahren 1907—1909 unternommene Forschungsreise nach Zentral-Amerika und Me-
xiko hatte neben archäologischen und ethnologischen Studien vor allem auch die wissen-
schaftliche Rettung von Sprachen im Auge, die teilweise wie das Rama, Guatuso, Sub-
tiaba, Matagalpa, Sumo, Cacaopera, Lenca von Öhilanga u. a. m. einem baldigen und sicheren
Aussterben entgegengehen. Ich habe keine Mühe gescheut, die meist sehr abgelegen woh-
nenden Indianerstämme aufzusuchen, um ihre Sprachen aufzunehmen. Wenn es mir ge-
lungen ist, gleichsam noch in letzter Stunde, ein linguistisches Material zu bergen, das
wegen seiner Beziehungen zu den Idiomen Costa Ricas, Panamas und des nordwestlichen
Südamerika von weittragender Bedeutung ist, so muß ich auch an dieser Stelle dankbar
der angelegentlichen Unterstützung gedenken, die mir überall auf meinen Reisen in zuvor-
kommender Weise von den Regierungen der Republiken Costa Rica, Nicaragua und El
Salvador gewährt wurde, sowie der Förderung meiner Arbeiten über die Rama-Sprache
durch die Herrnhuter Missionare, die Herren Reichel und Heath in Bluefields und Herrn
Weinstein auf Rama Key.
Das wichtigste Ergebnis meines Aufenthaltes auf der Rama-Insel (im März 1909)
war die Feststellung, daß die Rama die nächsten noch lebenden Verwandten der Guatuso-
Indianer am Rio Frio (in Costa Rica) sind, die sie als „wild Ramas“ bezeichneten, was
den „Valientes* älterer Autoren entspricht. In der Tat bestehen sprachliche Überein-
stimmungen zwischen beiden Idiomen, auf die ich bereits früher hingewiesen habe.t)
Die Rama-Indianer, die seit 1857 vom Missionar J. P. Jürgensen?) getauft und mit
der englischen Sprache vertrautgemacht worden sind, zählen jetzt höchstens etwa 250 Seelen
auf Rama Key. Auf dem gegenüberliegenden Festlande bei Punta Gorda leben noch etwa
15—20 heidnische Rama-Indianer, auf Uirin Key, zwischen Monkey Point (Punta Mico)
und Hohn Sound am inneren Rande einer Lagune und an gleichnamigem Flusse (Rio
Uirin) leben 10—15 Leute. Einige wenige andere Rama-Indianer halten sich verstreut
1) W. Lehmann, Ergebnisse einer Forschungsreise in Mittelamerika und Mexico, Zts. f. Ethnol.,
3d. 42 (1910), p. 712. Die große Ähnlichkeit der Guatuso mit den ihnen benachbarten, nördlich vom
Rio San Juan wohnenden Rama-Indianern wird von Al. v. Frantzius (Arch. f. Anthropol., Bd. IV (1870),
p. 102) bestätigt.
2) Geboren 2. Juli 1818 in Harth, Amt Veile, Jütland; seit 1853—1878 Missionar.