Der Cocainismus, 3
Leberveränderungen bewirkten. Die weitere Frage, welche Bedeutung der Substitution
der Öarboxylgruppe und des Hydroxyls zukomme, wurde mit künstlich hergestellten Cocainen
so aufgeklärt, daß die Substitution der ersteren ohne Änderung der Cocainwirkung vor-
genommen werden konnte. Bei Ersetzung des Benzoylrestes durch andere Säureradikale
zeigte sich nun, daß trotz mangelnder oder mangelhafter Anästhesierungsfähigkeit die
typischen pathologischen Leberveränderungen auch hier zu finden waren, so daß also diese
ein umfassenderes Kriterium der Cocainreihe darstellen als die anästhetische Funktion,
wobei die Art der Substitution weniger bedeutungsvoll als die Vollständigkeit des Sub-
stituts sein soll. Die grundlegenden Untersuchungsergebnisse Ehrlichs sind in nach-
stehender Tabelle zusammengestellt:
k Anästhesierungs- | Für dasCoesin typische
Substanz | “ | F d
| vermögen | Leberveränderungen
b} ° 1 |
Benzoylekgoninmethylester . . . . . . } |
Benzoylekgonin |
Me sthylekgonin rc |
Chlorhydrat des ( \oooisobutylins Er n |
Isatropyleocain . . . a _ |
Phenylacetyle \kgoninjodhydrat air Ne (+)
Valeryleocainjodhydrat er |
Phthalyldiekgoninjodhydrat . . . . . =
+
|
IH
Die Benzoylgruppe ist dagegen nach den Untersuchungen von Filehne als anästhe-
sierendes Moment im Cocain wichtig. Ja, es hat sich in Verfolgung dieser Annahme gezeigt,
daß Benzoylierung anderer Substanzen, z. B. des Morphins und des Chinins diesen
einen anästhesierenden Effekt, allerdings geringeren Grades, verleiht, und von Einhorn
wurde darauf hingewiesen, daß auch anderen basischen Estern der Benzoesäure, wenn auch
nicht ohne vorangehende Gewebsreizung, die Fähigkeit zur örtlichen Betäubung zukommt.
Kliminiert man aus dem Cocain die beim Stickstoff stehende Methylgruppe, allgemeiner:
die Alkylgruppe, so erhält man die Norcocaine, die besonders stark anästhetisch wirken,
aber toxischer als das Cocain sind.
Faßt man die Ergebnisse der hier nur kurz referierten Untersuchungen.
zusammen, 50 gehören nach 8. Frän kel für das Zustandekommen einer typischen
cocainartigen Wirkung drei Bedingungen zusammen: 1. das Ekgoninmolekül
oder ein ähnliches (wie z. B. das Tropin), 2. der Eintritt eines aromatischen
Restes, besonders der Benzoylgruppe ans Hydroxyl (andere aromatische Säure-
radikale bewirken. Herabsetzung, aliphatische Aufhebung des anästhesierenden
Effektes), 3. Veresterung einer etwa vorhandenen Carboxylgruppe, wodurch
die sauren Eigenschaften des Ekgonins verdeckt werden, wie dies beim Cocain
durch Methylalkohol geschieht, ebensogut aber auch durch andere Radikale
der aliphatischen Alkohole, nicht durch aromatische Verbindungen, bewirkt
werden. kann (Coeäthylin, Cocapropylin, Cocaisopropylin, Cocaisobutylin).
Pharmakologische Untersuchungen über die Stereoisomerie der Cocaine
wurden von Gottlieb vorgenommen. In praktischer Beziehung ist das wich-
tigste Ergebnis die Feststellung, daß die rechtsdrehende Pseudo-Verbindung
nur etwa halb so giftig auf das Nervensystem wirkt, als Leitungsanaesthetieum,
aber doppelt so wirksam ist. Es gleicht demgemäß das d-y-Cocain in seinem
Verhalten eher einem verstärkten Novocain als dem Blätter-Cocain (links-
drehende Normalverbindung).
Ob die Bedingungen zum Zustandekommen der uns hier besonders inter-
essierenden psychischen Wirkungen mit den für die lokale Betäubungsfunktion
notwendigen zusammenfallen, ist bislang nicht untersucht worden. Eine andere,
1*