Full text: Der Cocainismus

Ernst Joöl und Fritz Fränkel: 
ebenso unentschiedene Frage ist die, ob die Vergiftungserscheinungen bei der 
Droge und dem isolierten Alkaloid die nämlichen sind. 
Die beim Studium der Cocainstruktur gewonnenen Ergebnisse fanden bald 
zur synthetischen. Bereitung der Cocainersatzmittel auch ihre praktische An- 
wendung. Durch Verbindung von Benzoe- und Oxybenzoesäurederivaten mit 
der Amidogruppe gelangte man zu den Präparaten vom Typ des Orthoforms 
und Anästhesins, durch Veresterung der Aminoalkohole mit der Amidobenzoe- 
säure zum Novocain, weiter zum Stovain, Alypin und, ß-Eucain. Alle diese 
Ersatzmittel sind im Gegensatz zum Cocain sterilisierbar, billiger und weniger 
giftig, aber auch weniger anästhesierend. Nach Marshall ist bei intravenöser 
Injektion beim Kaninchen unter Zugrundelegung der Giftigkeit von Cocain = 1,0, 
die des Alypins == 0,9, des Sto rains 0,55, des $-Eucains 0,4, des Novocains 0,3. 
Das Novocain wirkt dreimal schwächer anästhesierend als das Cocain. 
Medikamentös wurde früher das Cocablatt selbst verwendet. In der ameri- 
kanischen, englischen, französischen, schweizerischen und italienischen Pharma- 
kopöe finden sich noch heute Anweisungen zur Bereitung von Cocafluidextrakt, 
Cocatinktur und Cocawein. Seit der Reindarstellung des Alkaloids ist fast nur 
dieses, und zwar zur Erhöhung seiner Löslichkeit als Cocainsalz angewendet 
worden. Von den vielfach hergestellten Salzen seien das in einigen ausländischen 
Pharmakopöen vorkommende Cocainsalieylat, das Sulfat, Nitrat, Lactat, 
Citrat, Stearinat, Benzoat angeführt; praktische Bedeutung kommt heute 
jedoch nur dem salzsauren Salze zu, als der fast durchgängigen medizinalen 
Anwendungsform. 
Cocainhydrochlorid stellt nach Angabe des Deutschen Arzneibuches ansehnliche, 
farblose, durchscheinende, geruchlose Krystalle dar, die in Wasser und Weingeist leicht 
löslich sind. Der Schmelzpunkt liegt bei 183%. Die Lösungen verändern Lackmuspapier 
nicht, schmecken bitter und rufen auf der Zunge eine vorübergehende Unempfindlichkeit 
hervor. Cocainhydrochlorid ist zu 0,75 Teilen in 1 Teil kalten Wassers löslich. Sein Mole- 
kulargewicht beträgt 339,65. Es enthält 89,25%, der freien Base. Wäßrige Lösungen zer- 
setzen sich allmählich, und zwar um so schneller, je dünner sie sind, ebenso wirkt Siedehitze, 
weshalb ein Sterilisieren von Cocainlösungen nicht möglich ist. Andererseits, sich selbst 
überlassen, schimmeln derartige Lösungen ziemlich leicht. Die einzelne innerliche Höchst- 
gabe beträgt nach fast allen Pharmakopöen 0,05 g (dagegen nach der schweizerischen 
und russischen 0,08), die größte Tagesgabe 0,15 (dagegen für die Schweiz 0,06, für 
Rußland 0,12). 
Wichtig ist für praktisch-diagnostische Zwecke die Kenntnis einiger Identitäts- und 
Reinheitsreaktionen, die wir dem deutschen Arzneibuch entnehmen. Zunächst kann der 
Schmelzpunkt bestimmt werden, wobei aber auf langsames Erwärmen zu achten ist. Schnelle 
Wärmezufuhr kann den Schmelzpunkt auf über 200° heraufsetzen (nach Herzog und 
Hanner). Der Schmelzpunkt des bei der Prüfung differentialdiagnostisch oft in Betracht 
kommenden Novocains liegt bei 156%. Sodann kann als einfache Prüfung auf Cocain die 
Verbrennung dienen, die weniger als 0,1°/, (also praktisch gar keinen) Rückstand hinter- 
lassen soll, was aber auch für Novocain gilt. In der wäßrigen, mit Salzsäure angesäuerten 
Lösung ruft Quecksilberchloridlösung einen weißen, Jodlösung einen braunen, Kalilauge 
einen weißen, in Alkohol und in Äther leicht löslichen Niederschlag hervor. Wird eine 
Lösung von 0,05 g Oocainhydrochlorid in 5 com Wasser mit 5 Tropfen Chromsäurelösung 
versetzt, so entsteht durch jeden Tropfen ein gelber Niederschlag, der sich, jedoch beim 
Umschwenken der Mischung wieder löst. Auf Zusatz von 1 com Salzsäure findet eine 
dauernde Ausscheidung des gelben Niederschlages statt (Cocainchromat). Wird 0,1 g 
Cocainhydrochlorid mit 1 eem Schwefelsäure auf 100° erwärmt und vorsichtig 2 com Wasser 
zugesetzt, so entsteht der Geruch von Benzoesäuremethylester, der sich, aus einem Teil 
des zunächst frei vorhandenen Methylalkohols und der Benzoesäure bildet. Die beim Er- 
kalten sich abscheidenden Benzoesäurekrystalle sind in Alkohol löslich. Wird eine Lösung
	        
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