Full text: Der Cocainismus

Der Cocainismus, 9 
1--2°, Die 'Temperaturerhöhung tritt unabhängig von Krämpfen auch bei eurarisierten 
Tieren auf. Umgekehrt begünstigen aber hohe Temperaturen den Eintritt von Krämpfen. 
Die als Sympathicuswirkung aufzufassende Hyperthermie, die durch vermehrte Wärme- 
produktion bei vielleicht etwas verminderter Wärmeabgabe zustande kommt, kann durch 
Narkotica der Fettreihe herabgesetzt werden, während Antipyrin ohne Einfluß ist. Nach 
Isenschmid steigert Cocain die Temperatur der Kaninchen auch nach Ausschaltung der 
Wärmeregulationszentren. 
Auf das Blut wirkt Cocain in vitro hämolytisch, jedoch erst in so hohen Konzentrationen, 
wie sie im lebenden Organismus nicht vorkommen, Cocainvorstufen haben nur geringe 
oder gar keine Wirkung, 
Über das Schicksal des Cocains im Organismus und über die Gewöhnung wird im 
Zusammenhang eines späteren Abschnittes berichtet (vgl. 8. 67). 
Geschichte des Coeainismus. 
Die Geschichte der Cocablätter und des Cocains hat sich in einem merk- 
würdigen. Kreislauf bewegt. Als Rausch- und Reizstoff entdeckt, blieb jahr- 
hundertelang ihre therapeutische Verwendbarkeit verborgen. Mit der Erkennung 
einer neuen. Eigenschaft, seiner örtlichen Betäubungsfähigkeit, trat das Cocain 
in die Medizin ein, und sein ursprüngliches Wesen, Hirngift zu sein, wurde 
jetzt zur störenden. und gefürchteten Nebenwirkung, die bekanntlich zu seiner 
Verdrängung durch eine große Reihe synthetischer Präparate beitrug, nach 
einer Zeit, die an sich kurz war, aber doch hinreichte, um sich in einer neuen 
Umgebung als Genußgift aufs neue durchzusetzen und sich als solches neben 
den verbleibenden therapeutischen Indikationen zu behaupten. 
Als Pizarro und. die Seinen im Jahre 1532 Südamerika eroberten, lernten 
sie einen Strauch, Erythroxylon coca, kennen, dessen Blätter, die sie kauten, 
bei den Eingeborenen als allgemein verbreitetes Genußmittel in hohem An- 
sehen standen und der, wie fast alle Rauschgifte, mit vielen Sagen und Sitten 
des religiösen und staatlichen Lebens der Inkas aufs engste verknüpft war. 
Er wurde als ein Geschenk der Götter gepriesen, und es hieß von ihm, daß er 
die Hungrigen sättige, den Müden und Erschöpften neue Kräfte verleihe und 
die Unglücklichen ihren Kummer vergessen lasse. Mit Coca im Munde verrichtete 
man Gebete, den Toten gab man sie mit ins Grab, den Göttern brachte man sie 
als Rauchopfer dar, Grubenarbeiter warfen ihre ausgekauten Cocablätter gegen 
die harten Metalladern, die sie dadurch leichter bearbeiten zu können glaubten. 
Die Liebesgötter wurden mit Cocablättern in der Hand dargestellt und. damit 
wohl die sexuell stimulierende Wirkung der Blätter zum Ausdruck gebracht. 
Immer wieder haben Reisende über die erstaunliche Wirksamkeit der Coca- 
pflanze berichtet, die die Indianer befähigte, beschwerliche Märsche im Gebirge 
mit Gepäck, weite Schnelläufe als Depeschenträger, mühseligste Arbeiten fast 
ohne Nahrung und Schlaf zu vollbringen. Man lernte Leute kennen, die diesen 
Gebrauch in einem landesüblich als maßvoll angesehenen Umfang betrieben 
und die in kleinen Mengen während der Arbeitspausen oder in. größeren 
bei festlichen Anlässen die Blätter kauten, wenn sie ihrer zu besonderen 
Leistungen bedurften, andere wieder, die ihrem regelmäßigen Genuß leidenschaft- 
lich frönten. Dabei wurde die Droge nicht allein gekaut, sondern fast immer in 
Mischung mit anderen Bestandteilen, z. B. mit Kalk, mit Tabak oder mit der 
Asche dürrer Chenopodiumzweige, Llipta oder Llucta genannt, was vielleicht 
zur Erhöhung der Löslichkeit der wirksamen Alkaloide, vielleicht auch zur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.