20 Ernst Joöl und Fritz Fränkel:
Kommissionen innerhalb der Rennvereine bilden müssen (vgl. hierzu Pfy]). Übrigens
imitieren, wie uns bekannt wurde, auch die Cocainhändler jetzt häufig tierärztliche Ver-
schreibungen, nicht nur um zu größeren Quantitäten zu ge ‚langen, sondern weil auf tier-
ärztliche Verschreibungen im Gegensatz zur humanen Medizin beliebig oft Cocain veraus-
gabt werden darf.
Mehrfach war schon die Rede von Cocainismus als internationaler
Erscheinung.
Soweit wir die Verhältnisse überblicken können, ist der Cocainismus in Frankreich und
Amerika besonders verbreitet, in Nordamerika deshalb, weil hier die Einfuhrbedingungen
günstig sind, die amerikanischen Ärzte von jeher — auch in der inneren Medizin einen
viel freigiebigeren Gebrauch von der Droge und dem Alkaloid gemacht haben als ander-
wärts, und schließlich, auch, weil die Abgabe ans Publikum lange Zeit sehr lax behandelt
worden ist. Hierzu kommen die für :Ile Länder geltenden vorhin erwähnten besonderen
Kriegsumstände. Neuerdings wird berichtet, daß seit dem Alkoholverbot ein weiteres An-
schwellen des Cocainverbrauches sich gezeigt habe, was den noch zu besprechenden russischen
Erfahrungen entsprechen würde. Immerhin wird andererseits darauf hingewiesen, daß auch
der heimlich, erworbene Whisky noch immer billiger sein soll als Cocain. Nach der ameri-
kanischen Statistik sollen gegenwärtig etwa 4 Millionen Amerikaner narkotische Mittel
gebrauchen. Amerika soll 18 mal so viel Opium pro Kopf der Bevölkerung konsumieren
wie Deutschland, 12 mal so viel wie Frankreich; der Umfang des Schle »ichhandels in New
York habe sich vervierfacht. Die Cocainpreise sind schwankend, je nach Angebot und
Nachfrage; ist die Polizei sehr rührig, so schnellen die Preise empor. Die Dreistigkeit der
Händler geht übrigens so weit, daß sie unter Studenten und Gymnasiasten Cocain gratis
anbieten. Sie wissen, daß sie ihr Geld bald wieder bekommen. Die Regierung plant Maß-
nahmen zur Einrichtung von Hospitälern für die Giftsüchtigen, vor allem aber bemüht
sie sich, Produktion und Einfuhr der Narkotica auf das von der Medizin als notwendig
erachtete Maß zu beschränken (Harrison law). Neuerdings scheint der Cocainismus
mehr und mehr vom Heroinismus abgelöst zu werden, wobei das Heroin ebenfalls geschnupft
wird. Nach Dixon ist der Gebrauch des leichter als Morphin erhältlichen Heroins schon
seit 1912in ständiger Zunahme, Nach Farr (zit. nach Rost) kamen im Allge meinen Kranken-
hause in Philadelphia Coecainisten, Heroinisten und Morphinisten in folgender Verteilung
zur Aufnahme:
Cocain | Opiatbe | Heroin
1911 5 29 l
1912 [5) 64 | l
1913 2 40 | 14
1914 3 | 6 | 28
1915) f) 36 | 86
|
Im gleichen Krankenhaus beobachteten Me Iver und Price 1916 147 Fälle von Gift-
sucht; davon waren 38 Morphinisten, 27 Heroinisten, 21 kombinierten Heroin mit Üoeain,
die Mehrzahl gebrauchte mehrere Gifte nebeneinander (näheres bei Rost). Schon vor dem
Kriege wurde die Zahl der in Amerika an Arzneimittel und Gifte ( tewöhnte auf 175 000
geschätzt.
In Frankreich besteht, wie erwähnt, schon seit 1916 eine schärfere Verfolgung des
Cocainmißbrauches. Es werden dort mit Geldstrafe von 1000— 10.000 Franken und Gefängnis
von 3 Monaten bis zu 2 Jahren diejenigen bestraft, die am unerlaubten Handel mit den
Narkoticis (Opium, Morphium, Haschisch, Cocain und ihren Abkömmlingen) beteiligt
sind, ferner jene, die besagte Substanzen benutzt oder die andere zu deren Gebrauch gegen
Entgelt oder umsonst begünstigt haben. Neuerdings sind Bestrebungen zur Verse härfung
dieser Bestimmungen im Gange. Die bisherige Wirkung der Gesetze wird freilich sehr
skeptisch beurteilt. Ein zweifellos unerwünschter Erfolg ist es jedenfalls, wenn die
Vertriebsstellen des Giftes sieh der Kontrolle der Hauptstadt möglichst zu entziehen
suchen, wodurch nun erst die Provinz gefährdet wird.
Das Cocain wird vielfach über wa Grenze geschmuggelt, wobei Soldaten und Eisen-
bahnangestellteeine Rolle spielen, zum Teilkommt es indirekt über Belgien oder die Schweiz,
1) 68 Tage.