40 Ernst Jo@öl und Fritz Fränkel:
sei. Jedenfalls sind uns bleibende Schöpfungen, unter Cocainwirkung entstanden,
nicht bekannt, ein Gegensatz zu den Produktionen berühmter Alkoholiker.
Nicht der reale Gehalt, sondern das subjektive Gefühl der Erleichterung und
Beschleunigung des Gedankenablaufes ist eben das steigernde Moment des Giftes.
„La poussce dynamique qui suvient apres l’injection de cocaine se depense la
somme qu’ A la diffusion mentale et ne realise qu’un travail defeetueux“ (Saury).
Die erregende Wirkung des Cocains versuchte man bald gegen pathologische
Hemmungszustände auszunützen. Schon 1886 berichtete Heimann u. a. von
vorübergehendem Einfluß des Giftes bei Melancholien. Doch kam man von
seinem Gebrauch bei Psychosen schnell wieder ab. In jüngster Zeit sind
erneut Versuche mit Cocaininjektionen bei Geisteskranken angestellt worden.
den Stupor für kürzere Zeit
Berger konnte bei Katatonikern mit 2—5 cg
(1—2 Stunden) lösen, von 11 Kranken erhielt er bei 8 sprachliche Reaktionen.
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Bei Melancholikern fand er eine erhebliche Beschleunigung psychischer
Leistungen (Rechenaufgaben). Wirkungslos erwies sich nach Hinsen Cocain
bei senilen Hirnprozessen. Dagegen konnte auch er bei Paralytikern mit kata-
tonischen Symptomen ein vorübergehendes Nachlassen der psychischen und
sprachlichen Hemmung beobachten, auch ihr Negativismus schwand, dagegen
persistierte die motorische Hemmung und die flexibilitas. Berger schließt aus
seinen Versuchen, daß die Wirkung des Cocains sich auf die zentralen Teile des
Gehirns erstreckt, in denen sich die materiellen Prozesse abspielen, zu denen
die Bewußtseinsvorgänge in Abhängigkeitsbeziehungen stehen.
Wir selbst sahen nach einer Injektion von 0,05 g Cocain bei einer Epileptica
eine deutliche Beeinflussung des Sprechaktes. Die sonst sehr gehemmte Rede-
weise wurde fließend. Assoziationen und äußeres Verhalten blieben unverändert.
Ohne jeden Effekt war die gleiche Gabe in einem Fall sensorischer Aphasie.
Das Rausehstadium. Bei aller Lebendigkeit, ja Leibhaftigkeit, den die Vor-
stellungsinhalte im ersten Stadium der Cocainwirkung annehmen können,
bleibt das Bewußtsein der Unwirklichkeit des Erlebten ganz erhalten. Es
gehört zu den Eigentümlichkeiten der Cocainwirkung, daß dieses Bewußtsein
auch dann nicht völlig verloren geht, wenn die toxische Dosis erreicht ist und
eine pathologische Umdeutung der Außenwelt vorgenommen wird. Dies tritt
im Stadium des Rausches ein. Eine scharfe Abgrenzung der euphorischen Er-
regung von dem Rausch ist im allgemeinen nicht möglich. Nur selten wird ein
schroffer Umschlag angegeben, so von dem Selbstbeobachter bei Mayer-Groß.
Meist vollzieht sich ein allmählicher Übergang und, wie noch auszuführen sein
wird, lassen sich wesentliche Merkmale des Rauschzustandes als quantitative
Steigerung der ersten Reizperiode verstehen.
Die Stimmungslage allerdings erfährt eine völlige Verwandlung. Aus dem
heiter ausgelassenen oder ernst beschaulichen wird jetzt ein angstvoll gespannter,
überaus gereizter, ruhelos erregter Mensch. Das Gefühl der Angst kann ein
ganz allgemeines sein, ohne irgend einen konkreten Inhalt zu haben, öfter aber
hat es Beziehungen zu dem persönlichen Leben des Süchtigen, ist, wenn man
will, sein wachgewordenes böses Gewissen. Die ungetreue Ehefrau fürchtet
die Entdeekung des Ehebruchs, der Cocsinschieber hat Angst vor seiner Ver-
haftung, den dem Elternhaus Entlaufenen peinigt die Furcht vor dem Vater,
Geschwister, die gewaltsam Cocain aus einer Apotheke rauben, zittern, der
Apotheker sei ihnen auf der Spur.