Full text: Gomera, die Waldinsel der Kanaren

98 Walther May, (Gomera. 
kanarische Lorbeerwald behielt unverändert seinen tertiären 
Charakter bei, da die von den Zugvögeln mitgebrachten Samen 
in dem Wald, der einer längst erloschenen klimatischen Periode 
angehört, später keine geeignete Stätte mehr fanden. 
Die Stämme der Waldbäume auf der Cumbre del Carbonero 
waren dicht mit der Lungenflechte (Lobaria pulmonaria var. 
papillaris) und dem Neckerschen Moos (Neckera intermedia) über- 
zogen, das gleich der Bartflechte (Usnea plicata) in langen Strähnen 
herabhing. Auf dem Boden wucherten üppig die 3echerflechte 
(Cladonia pyxidata), die Rentierflechte (Cladonia rangiformis), die 
Hundsflechte (Peltigera canina), riesenhafte Hauslaubrosetten, zier- 
liche Selaginellen (Selaginella denticulata) und das mächtige Farn- 
kraut Aspidium canariense, das nur auf den Kanaren und Kap- 
verden vorkommt, dort alle Laubwaldungen anfüllt und vom 
Volke im Gegensatz zu dem Adlerfarn, dem Farnweibchen, für 
ein Farnmännchen gehalten wird. 
Auch dem kleinen Getier des Waldes schenkte ich einige 
Aufmerksamkeit, konnte aber bei der karg bemessenen Zeit nur 
wenig sammeln. Auf der Oberseite der Blätter des Barbusano 
bemerkte ich vielfach blasenförmige Auftreibungen oder Krineum- 
bildungen, die von einer (Grallmilbe (Eriophyes spec.) herrührten. 
Im Moos fand ich junge Larven der Schabe Aphlebia bivittata 
und unter Steinen die peregrinen Regenwürmer Helodrilus eiseni 
und H. chloroticus, den Tausendfuß Glomeris gomerana, eine neue 
Spezies, die Graf Attems zu Ehren (romeras benannt hat, die 
auch in Europa häufigen Spinnen Zilla litterata und Clubiona 
decora, sowie die neue Spinnenspezies Micaria gomerae und 
zwei Exemplare der Nacktschnecke Amalia gagates. 
Wir stiegen an der linken Seite einer dicht bewachsenen 
Schlucht aus dem Walde abwärts; tief unten rauschte ein Bach. 
Diesen überschritten wir unterhalb eines schönen, schmalen Falles, 
in dessen Umgebung die Vegetation eine wahrhaft tropische 
Üppigkeit aufwies. Die grotesk gestalteten Lorbeerbäume, lie 
an den Felswänden wuchsen, waren von den breiten Blättern 
der Schmeerwurz (Tamus edulis) in einen grünen Mantel einge- 
hüllt, Brombeersträucher mit mächtigen Stacheln bildeten ein un- 
durchdringliches Dickicht, und die hohen Wedel der Karnkräuter, 
die mächtigen pfeilförmigen Blätter der Names und die riesigen 
Sempervivumrosetten kontrastierten mit den zierlichen hellgrünen
	        
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