Full text: Gomera, die Waldinsel der Kanaren

12 Walther May, Gomera. 
spanische Offiziere, die zur Inspektion nach Gomera kommandiert 
waren, schifften sich hier ein. Das Laden des Schiffes dauerte 
bis gegen elf Uhr, dann ging es in ruhiger, etwa sechsstündiger 
Fahrt weiter nach Ferro. 
Die berühmte Meridianinsel kam mir vor wie das Ende der 
Welt. Ich sah ein ödes, trostloses, nur mit Wolfsmilch bewachsenes 
Felseneiland sich aus dem Meere erheben. An der kleinen, von 
stark ausgewaschenen und zerklüfteten Basaltfelsen umgebenen 
Hafenbucht, in der wir vor Anker gegangen waren, standen ein 
Lagerhaus, ein Kapelle und zwei kleine, weiße, flachdachige Her- 
bergen (Fondas), von denen jede nur einen einzigen Raum enthielt, 
Das (ranze sah recht romantisch aus als der Abend hereinbrach 
und drei Lichter an den Häusern flackerten. Um die außer- 
ordentliche Primitivität der dortigen Verhältnisse zu charakterisieren, 
erzählte ein Schiffspassagier, daß die Bewohner der Hauptstadt 
Valverde, deren Häuser auf der Höhe der Insel sichtbar waren, 
als Lampe eine mit Öl gefüllte Kaffeekanne benutzen, durch 
deren Ausguß sie den Docht hindurchziehen. 
Wir blieben eine Nacht im Hafen von Ferro liegen und 
fuhren am nächsten Morgen bei schönem Wetter weiter. Nach 
mehreren Stunden wurden die hohen Felsen der Südwestküste 
von (Gromera sichtbar, und um die Mittagszeit landeten wir im 
Hafen von Valle Gran Rey, dem Tal des großen Königs, an 
dessen Ausgang weiße, von Palmen überragte Häuser auf einem 
kleinen Hügel liegen. Ich muß sagen, daß ich beim ersten 
Anblick der ersehnten Insel ziemlich stark enttäuscht war. Ich 
hatte in Bolles Schilderungen von den urwüchsigen Lorbeer- 
wäldern gelesen, die diese Insel im Gegensatz zu den anderen 
Kanaren noch bedecken, von den schwellenden Moosen, mächtigen 
Farrenkräutern und üppigen Schlingpflanzen, die diesen Wald 
zieren sollten, und nun trat mir ein nacktes, nur durch Wolfsmilch- 
sträucher grün geflecktes Felseneiland entgegen, das sich nicht 
wesentlich von dem traurigen Ferro unterschied, das wir soeben 
verlassen hatten. Ich wußte damals noch nicht, daß die süd- 
liche Inselhälfte der kahlste Teil Gomeras ist und die gewaltigen 
Lorbeerwälder, deren es sich in der Tat noch erfreut, sich nur 
auf den Höhen und in den nördlichen und nordwestlichen 
(Gegenden ausbreiten, wo ich sie dann später auch tagelang 
durchwandern sollte,
	        
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